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Fristlose Kündigung bei Anbau und Konsum von Cannabis in Mietwohnung

AG Karlsruhe, Az.: 6 C 2930/16

Urteil vom 03.02.2017

1. Der Beklagte wird verurteilt, die im Hause …, im Erdgeschoss rechts gelegene Wohnung, diese bestehend aus 2 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad mit WC, 1 Flur, 1 Kellerraum und 1 Dachbodenanteil zu räumen und geräumt sowie samt aller dazugehörigen Schlüssel an die Klägerin herauszugeben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 492,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.11.2016 zu zahlen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 4.392,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Fristlose Kündigung bei Anbau und Konsum von Cannabis in Mietwohnung
Symbolfoto: Hanna_Zapylaieva/Bigstock

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der vom Beklagten bewohnten Wohnung.

Die Parteien verbindet ein Mietverhältnis über die im Hause …, im Erdgeschoss rechts gelegene Wohnung auf der Grundlage eines schriftlichen Mietvertrages. Die monatliche Grundmiete betrug zuletzt 366,00 €.

Die Klägerin stellte am 15.07.2016 fest, dass der Beklagte in der Wohnung Marihuana konsumierte. Am 29.07.2016 durchsuchte die Polizei die Wohnung des Beklagten nebst des dazugehörigen Kellers und der Mansarde und fand eine Vielzahl von Cannabispflanzen. Der Beklagte baute sowohl im Kellerraum als auch in der Mansarde Cannabispflanzen an. Er hatte in der Mansarde einen speziellen „Growschrank“ aufgestellt, in dem Cannabispflanzen ganzjährig und geschützt vor schädlichen Witterungseinflüssen aufgezogen werden können.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.08.2016 erklärte die Klägerin die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Das Kündigungsschreiben ging dem Beklagten am 13.08.2016 zu.

Die Klägerin trägt vor, der Beklagte würde das in der Wohnung angebaute Marihuana nicht nur selbst konsumieren sondern auch an Dritte verkaufen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, die im Hause …‚ im Erdgeschoss rechts gelegene Wohnung, diese bestehend aus 2 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad mit WC, 1 Flur, 1 Kellerraum und 1 Dachbodenanteil zu räumen und geräumt sowie samt aller dazugehörigen Schlüssel an die Klägerin herauszugeben.

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, er konsumiere das angebaute Marihuana aus medizinischen Gründen. Er leide unter Bronchitis, Asthma, Atemnot und schwersten Hustenanfällen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Verfahrensakte, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der vom Beklagten bewohnten Wohnung nebst aller ihm überlassenen Schlüssel aus § 546 Abs. 1 BGB.

Die Klägerin hat das Mietverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 12.08.2016 wirksam beendet. Es lag ein wichtiger Grund zur Kündigung im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, welcher der Klägerin gemäß § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machte.

Es kann dahinstehen, ob der Beklagte das angebaute Cannabis auch an Dritte veräußert oder ausschließlich selbst konsumiert hat. Schon der Anbau und Konsum von illegalen Betäubungsmitteln in der Wohnung rechtfertigt den Ausspruch einer fristlosen Kündigung durch die Klägerin (Schmidt-Futterer/Blank BGB § 543 Rn. 212, beck-online). Der Beklagte hat das Vertragsverhältnis dadurch in seiner Grundlage entscheidend erschüttert, dass er die Wohnung genutzt hat, um in erheblichem Umfang Rauschgift zu produzieren. Bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich, dass der Beklagte Teile der Mietsache vorsätzlich und planmäßig zur Begehung von Straftaten genutzt hat, und zwar in einem Umfang, der weit davon entfernt ist, noch als Bagatelle bezeichnet werden zu können. Der Beklagte hat sowohl im Kellerraum als auch in der Mansarde Cannabispflanzen angebaut. Die Polizei hat im Rahmen der Durchsuchung am 29.07.2016 unzählige Cannabispflanzen aufgefunden. Darüber hinaus verfügte der Beklagte über einen speziellen „Growschrank“ zur Aufzucht von Cannabispflanzen, sodass nicht mehr von einem unerheblichen und nur einmaligen Vorfall ausgegangen werden kann. Hierin liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen mietrechtliche Verpflichtungen, den der Vermieter nicht hinzunehmen braucht und der ihm das Recht zur fristlosen Beendigung des Mietverhältnisses gibt (AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 08. Februar 2008 – 518 C 359/07 -‚ Rn. 17, juris). Bei einem Missbrauch der Mietsache im vorliegenden Umfang ist es dem Vermieter weder zuzumuten, sich zunächst mit einer Abmahnung zu begnügen, noch, dass Mietverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen (vgl. AG Köln Urt. v. 25.3.2008 – 219 C 554/07, BeckRS 2008, 11151, beck-online).

Der Anbau und der Konsum von Betäubungsmitteln in der Wohnung ist nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Konsum aus medizinischen Gründen indiziert war. Auch auf den gerichtlichen Hinweis mit Verfügung vom 16.11.2016 hat der Beklagte nicht näher dargelegt oder durch Vorlage einer ärztlichen Verordnung oder Bestätigung nachgewiesen, dass er auf ausdrücklichen ärztlichen Rat hin Cannabis konsumiert hat. Vielmehr hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.01.2017 erklärt, er werde nach dem Termin einen Arzt aufsuchen und sich erstmalig eine entsprechende Bestätigung ausstellen lassen. Zum Zeitpunkt des kündigungsrelevanten Anbaus und Konsums von Marihuana im Sommer 2016 verfügte er daher nicht über eine ärztliche Ausnahmeerlaubnis nach § 3 BtMG.

Eine Abmahnung nach § 543 Abs. 3 BGB war im vorliegenden Fall entbehrlich. Die sofortige Kündigung ohne Abmahnung war hier aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gem. § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB gerechtfertigt. Zu bedenken ist, dass eine Abmahnung immer nur sinnvoll ist, wenn eine Fortsetzung des Mietverhältnisses (bei Unterlassen des beanstandeten Verhaltens in der Zukunft) überhaupt noch in Betracht kommt. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn das durch den Mietvertrag begründete gegenseitige Vertrauensverhältnis bereits endgültig zerstört worden ist und auch durch vertragsgemäßes Verhalten in der Zukunft nicht mehr wiederhergestellt werden kann. Dies ist wegen des schweren Vertragsverstoßes der Beklagten anzunehmen, weil dadurch das Interesse der klagenden Vermieterin erheblich und offensichtlich verletzt worden und ihr Interesse an der Leistungserfüllung weggefallen ist. Zugunsten der Mieterin ist zwar zu berücksichtigen, dass durch den Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz weder der Vermieter noch andere Mieter unmittelbar geschädigt wurden; eine Verletzung ihrer Gesundheit oder ihres Eigentums ist nicht eingetreten. Andererseits handelt es sich aber nicht um eine fahrlässige, sondern um eine vorsätzliche Straftat, für die das Betäubungsmittelgesetz gemäß § 29 Abs. 1 einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren vorsieht (vgl. AG Hamburg-Altona Urt. v. 14.2.2012 – 316 C 275/11, BeckRS 2012, 15113, beck-online). Insbesondere hat der Beklagte auch im Termin zur mündlichen Verhandlung keinerlei Einsicht gezeigt, sodass damit zu rechnen ist, dass es künftig zu weiteren vergleichbaren strafbaren Handlungen des Beklagten kommen würde.

2. Die Klägerin kann daneben vom Beklagten gemäß §§ 280 Abs. 1, 535 ff. BGB den Ersatz der für das Kündigungsschreiben vom 12.08.2016 entstandenen Rechtsanwaltskosten verlangen, denn es handelt sich insoweit um Rechtsverfolgungskosten, die in adäquater Weise durch die vertragswidrige Nutzung der Mietsache durch den Beklagten verursacht wurden.

Der geltend gemachte Betrag von 492,54 € ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Auszugehen ist von einem Gegenstandswert in Höhe von 4.392,00 € (12 x 366,00€ Nettokaltmiete gem. § 41 Abs. 1 GKG), auf den eine 1,3-Geschäftsgebühr gem. RVG VV 2300 in Höhe von 393,90 € angefallen ist, so dass sich zzgl. 20,00 € Auslagenpauschale und 19% Mwst. ein Gesamtbetrag von 492,54 € ergibt.

Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB. Der Beklagte geriet mit Zustellung der Klageschrift am 02.11.2016 in Verzug. Zinsen sind ab dem darauffolgenden Tag geschuldet.

II.

Eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO war dem Beklagten nicht zu bewilligen. Die Entscheidung über die Bewilligung, Verlängerung oder Verkürzung einer Räumungsfrist steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Die Interessen der Parteien aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts sind gegeneinander abzuwägen. Maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalls (MüKoZPO/Götz ZPO § 721 Rn. 9, beck-online). Das Interesse der Klägerin an der Räumung der Wohnung überwiegt die Interessen des Beklagten am Erhalt der Wohnung. Vertragswidriges Verhalten eines Mieters, zumal wenn es die Kündigung rechtfertigt, spricht gegen die Gewährung einer Räumungsfrist (MüKoZPO/Götz ZPO § 721 Rn. 10, beck-online). Der Beklagte hat in der Wohnung in größerem Umfang Cannabis angebaut. Der Anbau von Betäubungsmitteln stellt eine Straftat nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG dar.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 8, Nr. 11, 711 ZPO.

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