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Wohnraumkündigung bei Personenmehrheit

AG Pfaffenhofen – Az.: 1 C 419/20 – Urteil vom 05.03.2021

1. Das Mietverhältnis wird bis zum 30.09.2021 fortgesetzt.

2. Die Nettokaltmiete wird ab 01.12.2020 auf 977,48 € festgesetzt.

(– gemäß gerichtlichem Berichtigungsbeschluss auf 777,48 € –)

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 782,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 156,48 € seit 04.12.2020, seit 07.01.2021, seit 04.02.2021, seit 04.03.2021 und seit 08.04.2021 zu zahlen.

4. Die Beklagten werden darüber hinaus gesamtschuldnerisch verurteilt, beginnend ab Mai 2021 bis zur Räumung und Herausgabe der im 1. Obergeschoss, Eingang rechts gelegenen Mietwohnung in der P-Straße, P, bestehend aus 4 Zimmer, 1 Bad, 1 Diele, 1 Speicheranteil, 1 Balkon, 1 Küche, 1 Kelleranteil sowie 1 Kammer jeweils bis zum 3. Werktag eines jeden Monats im Voraus jeweils weitere 156,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweiligen Folgetag zu bezahlen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger als Gesamtschuldner 90% und die Beklagten als Gesamtschuldner 10% zu tragen.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.460,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger machen Ansprüche auf Räumung und Herausgabe sowie Mietrückstände und zukünftige Mietzahlungen geltend.

Die Beklagten zu 1) und 2) mieteten von der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) und 2), der früheren Eigentümerin BG, mit Mietvertrag vom 02.04.2007 die gegenständliche Wohnung im 1. OG, Eingang rechts, P-Straße, P, bestehend aus 4 Zimmern, 1 Bad, 1 Diele, 1 Speicheranteil, 1 Balkon, 1 Küche, 1 Kelleranteil sowie 1 Kammer. Der monatliche Mietzins beträgt derzeit 621,00 € kalt zzgl. Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 200,00 €.

Die Wohnfläche betrug 93 qm, es war ein gehobener Sanitärmerkmal vorhanden, die Kernstadt und die Entfernung zum Hauptplatz ist fußläufig möglich und unter 300 m, an energetischer und sonstigen Modernisierungsmerkmalen waren vorhanden: Dämmung von Dach/oberster Geschossdecke, Erneuerung der Heizungsinstallation, Wärmeerzeuger wie Heizkessel, Brenner oder Gastherme, Fenstererneuerung mit mindestens Isolierverglasung.

Die Rechtsvorgängerin hatte die Wohnung an die Kläger zu 1) u. 2) veräußert.

Mit Schreiben vom 20.05.2019 kündigte der Kläger zu 2) das Mietverhältnis ordentlich wegen Eigenbedarfs zum 29.02.2020.

Die Kündigung lautet auszugsweise: „Sehr geehrte Familie E, wie Sie bereits mitbekommen haben, habe ich die Wohnung von BG gekauft (telefonische Mitteilung an Sie am 18.03.2019 durch Herrn W der Firma I) über das Verkaufsinteresse von BG wurden Sie im Februar 2019 informiert bzw. die Wohnung wurde Ihnen vorab zum Kauf angeboten. Das Angebot haben Sie nicht angenommen.

Mit diesem Schreiben kündige ich Ihnen den Mietvertrag vom 20.04.2007 zur oben genannten Mietwohnung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungsfrist von 9 Monaten (Frist des § 573 c BGB). Zum 29.02.2010 oder zum nächstmöglichen Zeitpunkt wegen Eigenbedarfs nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Mein Kündigungsgrund (§ 573 Abs. 2 BGB) möchte ich Ihnen wie folgt näher darlegen: Ich werde selbst mit meiner Ehefrau und meinen beiden Kindern in die Wohnung einziehen. Der Schritt ist notwendig um näher bei unseren pflegebedürftigen Eltern (P-Straße, P) zu wohnen. Wie wir erfahren haben, hat Herr W Ihnen bereits eine Alternativwohnung zur Miete in P (100 qm für 1.000,00 € Kaltmiete) angeboten. Gerne bin ich bereit, Ihnen hinsichtlich einer Räumungsfrist entgegenzukommen. Ich weise Sie an dieser Stelle noch auf ihr gesetzliches Widerspruchsrecht hin. Nach § 574 BGB sind Sie als Mieter berechtigt, dieser Kündigung zu widersprechen und die Fortsetzung des Mietvertrages zu verlangen, wenn die vertragsgemäße Beendigung für sie oder ihre Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung meiner Interessen als Vermieter nicht zu rechtfertigen ist.“

Der Beklagte zu 2) teilte Mitte Januar 2020 mit, dass der Räumungszeitpunkt zum 29.02.2020 nicht eingehalten werden könne. Es wurde um eine Räumungsfrist von 3 Monaten gebeten.

Mit Schreiben des Klägervertreters vom 04.02.2020 wurde mitgeteilt, dass eine Räumungsfrist an sich nicht gewährt werden könne, da der in der Kündigung vom 20.05.2019 erwähnte Eigenbedarf aufgrund der finanziellen Doppelbelastung erheblich sei. Allerdings wurde ein einvernehmlicher Mietaufhebungsvertrag mit gleichem Schreiben zum 31.05.2020 angeboten.

Mit gleichem Schreiben wurde nochmals vorsorglich das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt und auf die Möglichkeit des Sozialwiderspruchs gem. § 574 ff BGB unter Angabe der notwendigen Form und Frist hingewiesen. Zudem wurde der stillschweigenden Verlängerung des Mietverhältnisses durch Fortgebrauch gem. § 545 BGB widersprochen. Inhaltlich lautet das Kündigungsschreiben vom 04.02.2020 unter III. auszugsweise wie folgt: „Im übrigen kündigen wir namens und im Auftrag unserer Mandantin nur rein vorsorglich nochmals das oben näher beschriebene Mietverhältnis zwischen Ihnen und unseren Mandanten ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Das berechtigte Interesse ist vorliegend damit zu begründen, dass unsere Mandanten beabsichtigen, gemeinsam mit den beiden Kindern in das Mietobjekt in der P-Straße in P einzuziehen und damit endlich „in den eigenen 4 Wänden zu leben.“ Zudem leben Sie dadurch auch näher an ihren pflegebedürftigen Eltern, welche in der P-Straße in P wohnen. Anderer im Eigentum stehender Wohnraum steht unseren Mandanten nicht zur Verfügung.“

Die Beklagten haben 3 Kinder.

Die Beklagten hatten mit der Wohnungsbeschaffungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft XYZ GmbH mit Datum vom 16.09.2020 eine Reservierungsvereinbarung geschlossen (Anlage B4). Danach wurde für die Beklagten in dem Objekt A-Straße, P, Haus X, Y. OG, Wohnung Nr. XYZ mit ca. 96,11 qm eine Wohnung reserviert mit voraussichtlichem Mietbeginn 01.08.2021.

Die Beklagten hatten der zweiten Kündigung vom 04.02.2020 mit Schreiben vom 23.09.2020 widersprochen.

Mit Schreiben vom 08.03.2021 ließen die Beklagten mitteilen: „Vor diesem Hintergrund haben sich die beiden Beklagten entschlossen, auf jeden Fall und unabhängig von einer Umzugsfähigkeit des Beklagten zu 2) das streitgegenständliche Mietobjekt spätestens bis 30.09.2021 zu räumen und in die neue Wohnung im Baugebiet A-Straße, P umzuziehen. Im Übrigen wird auf Bl. 61/62 d. A. vollinhaltlich Bezug genommen.

Die Kläger sind der Auffassung, dass das erste Kündigungsschreiben vom 20.05.2019 zwar lediglich vom Kläger zu 2) unterzeichnet worden sei, die Kündigung aber von den beiden Klägern persönlich bei der Übergabe der Wohnung durch die Verkäuferin an die Beklagte übergeben worden sei. Bereits zuvor sei mitgeteilt worden, dass die Wohnung von den Klägern erworben würde. Bei dem Übergabetermin sei nochmals mitgeteilt worden, dass die Kläger die Wohnung erworben hätten und dort wegen Eigenbedarfs einziehen möchten. Insoweit sind die Kläger der Auffassung, dass das Kündigungsschreiben von beiden Klägern ausgegangen sei. Dabei würde es sich auch um ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1357 Abs. 1 BGB handeln, so dass auch vor diesem Hintergrund die Kündigung wirksam sei. Darüber hinaus sei die Kündigung mit Schreiben vom 17. 02.2020 anerkannt worden. Auf die Anlage K3 wird vollinhaltlich Bezug genommen. Des Weiteren habe aufgrund der geschilderten Umstände bei Übergabe des Kündigungsschreibens offenkundig eine Stellvertretung der Klägerin zu 1) durch den Kläger zu 2) stattgefunden. Nach Beendigung des Mietverhältnisses stünde den Klägern eine Entschädigung gem. § 546 a BGB in Höhe der üblichen Marktmiete zu. Der Differenzbetrag aus der Nutzungsentschädigung und der Vertragsmiete würde sich monatlich auf 188,00 € belaufen. Die übliche Marktmiete würde für die gegenständliche Wohnung 1.009,00 € betragen. Insoweit würde zum einen Nachzahlung der Nutzungsentschädigung und zum anderen zukünftige Zahlung der Marktmiete geltend gemacht. Darüber hinaus sei das Interesse der Kläger zu 1) und zu 2) erheblich und weit überwiegend, da zum einen die Kläger in der Nähe ihrer beiden Eltern ziehen wollten, darüber hinaus der Vater des Klägers krank sei. Auch die Mutter des Klägers sei erheblich krank, darüber hinaus hätten die Kläger eine erhebliche finanzielle Doppelbelastung da sie zum einen die Finanzierungskosten zum anderen die Miete des derzeitigen Wohnraums zu tragen hätten.

Die Kläger beantragen zuletzt,

I. Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, die im 1. OG, Eingang rechts gelegene Wohnung in der P-Straße 14 in P, bestehend aus 4 Zimmern, 1 Bad, 1 Diele, 1 Speicheranteil, 1 Balkon, 1 Küche, 1 Kelleranteil sowie eine Kammer zu räumen und geräumt inklusive Schlüssel an die Kläger zu 1) und 2) herauszugeben.

II. Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Kläger als Mitgläubiger 752,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen gesetzlichen Basiszinssatz aus 188,00 € seit 06.03.2020, aus 188,00 € seit 06.04.2020, aus 188,00 € seit 06.05.2020 und aus 188,00 € seit 06.06.2020 zu bezahlen.

III. Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtverbindlich verurteilt, beginnend ab Juli 2020 an die Kläger zu 1) und 2) als Mitgläubiger bis zur Räumung und Herausgabe der im Klageantrag Ziffer 1 genannten Wohnung jeweils bis zum 3. Werktag eines jeden Monats im Voraus jeweils 188,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen gesetzlichen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Folgetag zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, Klageabweisung

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die erste Kündigung nicht wirksam sei, da diese nur vom Kläger zu 2) allein ausgesprochen worden sei. Auch die Erwägungen der Klagepartei würden der Kündigung nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Die Kündigungsfrist der zweiten Kündigung vom 04.02.2020 würde bis zum 30.11.2020 laufen. Darüber hinaus könnten die Beklagten noch bis zum 30.09.2020 Kündigungswiderspruch erheben. Die Voraussetzung zur Zahlung einer erhöhten Nutzungsentschädigung würden insoweit nicht bestehen. Die Beklagten hätten sich auf eine Vielzahl von Wohnungsangeboten in der Region Pfaffenhofen beworben, seien aber nicht fündig geworden. Die Beklagten hätten eine Reservierungsvereinbarung mit einem voraussichtlichen Mietbeginn zum 01.08.2021 mit der Stadt geschlossen, so dass hieraus ein Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zu diesem Zeitpunkt bestünde, um hier einen Zwischenumzug zu vermeiden. Die Beklagten hätten auch der zweiten Kündigung widersprochen.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf deren dortige Vorträge als auch auf die mit den Schriftsätzen übersandten Anlagen und auf die Protokolle vom 07.10.2020 und 05.03.2021 sowie auf die Vernehmung des Zeugen WA und auf den gerichtlichen Hinweis in der Terminsladung vom 28.08.2020 sowie den Gerichtsbeschluss vom 21.03.2021 vollinhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage war als unbegründet abzuweisen.

I.

Den Beklagten steht gem. § 574 BGB ein Anspruch auf befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum 30.09.2021 zu.

1.

Das Mietverhältnis war entgegen der Auffassung der Klagepartei nicht schon durch die Kündigung vom 20.05.2019 beendet worden. Entgegen der Auffassung der Klagepartei war die Kündigung hier durch den Beklagten zu 2) allein erklärt worden. Dies war auch so schon dem Text zu entnehmen. Darin spricht der Kläger zu 2) immer nur von sich als kündigende Person. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob der Kläger zu 2) die Klägerin zu 1) grundsätzlich vertreten kann. Gegenständlich hatte der Kläger zu 2) die Klägerin zu 1) eben gerade nicht vertreten. Jedenfalls wurde eine solche Vertretung gerade nicht offengelegt.

Besteht der kündigende Teil aus mehreren Personen, so müssen alle unterschreiben. Eine Stellvertretung bei der Unterschrift ist zwar zulässig. Deshalb kann bspw. einer von mehreren Mietern zugleich für die übrigen Mieter unterzeichnen. Auch hier gilt allerdings der Grundsatz, dass das Vertretungsverhältnis erkennbar sein muss. Aus der Sicht des Kündigungsempfängers darf kein Zweifel bestehen, dass der Unterzeichnende nicht nur für sich selbst, sondern auch für die übrigen Mieter tätig werden wollte. Sind Eheleute Mieter und wird eine Kündigungserklärung nur vom Ehemann unterschrieben, so ist die Kündigung nur wirksam, wenn sich aus dem Kündigungsschreiben ergibt, dass der Ehemann zugleich als Vertreter für seine Ehefrau unterzeichnet hat. Ist im Briefkopf eines Kündigungsschreibens die Ehefrau mit aufgeführt und verwendet der Ehemann in der Kündigungserklärung den Plural, so legt dies zwar die Annahme nahe, dass die Kündigung auch durch die Ehefrau erklärt werden soll. Eine solche Praxis ist bei Personenmehrheit häufig. Sie rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass der Unterzeichner eine Erklärung zugleich für sich und für andere Personen unterschreiben wollte.

Vorliegend war, wie oben schon erwähnt, noch nicht einmal das Schreiben der Kündigung inhaltlich entsprechend abgefasst, sondern es wurde sogar der Singular verwendet (Ich kündige, ich habe die Wohnung erworben, mein Kündigungsgrund, ich werde mit meiner Ehefrau u.s.w.). Hier war gerade nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen, dass eine Willenserklärung auch zugleich in fremdem Namen abgegeben werden sollte. Die Mitübergabe des Schreibens oder eines sonst außerhalb dessen zum Ausdruck gekommener Wille der Ehefrau reichte insoweit nicht aus, da bei einem solchen Prozedere nicht dem Schriftformerfordernis Genüge getan wird.

Auch der Verweis auf § 1357 BGB hilft dem Kläger zu 1) hier nicht weiter, da diese Vorschrift auf eine Kündigung wegen Eigenbedarfs schon nicht anwendbar ist. Insoweit besteht kein Grund, dass der Kläger zu 2) alleine im Rahmen der Schlüsselgewalt auch zugleich für die Klägerin zu 1) kündigen sollte, denn es handelte sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die zudem der Schriftform erfordert. Die Anmietung oder Kündigung einer Wohnung sowie einvernehmliche Mietaufhebung oder eine Abänderung des Mietvertrages hinsichtlich der Nebenkosten werden gerade nicht von § 1357 BGB erfasst, weil sie die zentrale Lebensgrundlage der Familie berühren und deshalb vorheriger Absprache unter den Ehegatten unausweichlich bedürfen. Bei der Kündigung handelt es sich erkennbar eben nicht um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie. Insoweit ist deshalb angesichts der besonderen Bedeutung der Wohnung für das Familienleben zu verlangen, dass die Eheleute regelmäßig eine gemeinsame Entscheidung herbeiführen.

2.

Dementsprechend verbleibt es bei der zweiten Kündigung vom 04.02.2020.

Dieser hatten die Beklagtenseite jedoch noch zulässig widersprochen.

Insoweit stand den Beklagten ein Anspruch auf Vertragsfortsetzung gem. §§ 574 a, 574 BGB zu.

Nach § 573 Abs. 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung des berechtigten Interesses des Vermieters nicht zu rechtfertigen sind.

Bei der erforderlichen Interessenabwägung war zu berücksichtigen, dass die Beklagte zum einen eine Reservierungsvereinbarung hinsichtlich eines voraussichtlichen Mietbeginns zum 01.08.2021 über einen Ersatzwohnraum gemäß vertraglicher Vereinbarung vom 14.09.2020 haben. Darüber hinaus war zu sehen, dass der Zuschnitt der Familien von Kläger und Beklagtenseite ähnlich ist. Des Weiteren war zu berücksichtigen, dass für eine kurzfristige Vermietung nur schwer Wohnraum auf Seiten der Beklagten und dessen Familie zu finden ist. Ein Hemmnis ist zum einen bereits die kurze Dauer der Anmietung lediglich für eine relativ kurze Überbrückungszeit, zum anderen aber auch die Größe der Familie und insoweit der Wohnraumbedarf, der nur schwer zu decken ist. Darüber hinaus bedeutet ein Zwischenumzug bis zum tatsächlichen Einzug in den Ersatzwohnraum einen ganz erheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand, der hier nur für einen relativ kurzen Zwischenzeitraum gedacht wäre und insofern völlig außer Verhältnis steht. Ein Zwischenumzug würde insoweit eine erhebliche Härte für die Beklagtenseite darstellen.

Steht dem Mieter bereits ein Ersatzwohnraum zur Verfügung, in die er zwar nicht im Zeitpunkt der vertragsgemäßen Beendigung des Mietverhältnisses, wohl aber in absehbarer Zeit einziehen kann, so ist der in solchen Fällen erforderliche Zwischenumzug wegen der damit verbundenen persönlichen und finanziellen Belastung als besondere Härte zu bewerten. Der Umstand, dass ein Zwischenumzug auch durch die Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO vermieden werden kann, ist dabei unerheblich; als materiellrechtlicher Anspruch hat § 574 BGB Vorrang vor der ins Ermessen des Gerichts gestellten Räumungsfrist. Deshalb muss das Mietverhältnis auf bestimmte Zeit fortgesetzt werden. Der Mieter muss insoweit kein genaues Umzugsdatum nennen. Insoweit ist allerdings nur erforderlich, dass der Monat angegeben werden kann, zu dem der Umzug möglich sein wird. Dem war die Beklagtenseite hier letztlich mit Schreiben vom 08.03.2021 nachgekommen. In diesem Schreiben wurde durch den Beklagtenvertreter erklärt, dass die Beklagten das gegenständliche Mietobjekt spätestens bis zum 30.09.2021 räumen und in die neue Wohnung umziehen werden.

Auf der anderen Seite war natürlich zu berücksichtigen, dass für die Klägerseite hier eine finanzielle Doppelbelastung besteht. Zum einen haben die Kläger hier weiter Miete für ihre Mietwohnung zu zahlen. Darüber hinaus haben sie Finanzierungskosten für die gegenständliche Wohnung zu zahlen. Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass die Klagepartei in ihr Eigenheim will, das sie zu diesem Zweck erworben hatte. Gleichzeitig wollte die Klagepartei damit näher an die pflegebedürftigen Eltern kommen, um entsprechenden Hilfeleistungen leichter nachkommen zu können.

Bei der Interessenabwägung sind die Bestandsinteressen des Mieters mit den Erlangungsinteressen des Vermieters in Beziehung zu setzen. Es ist zu fragen, welche Auswirkungen eine Vertragsbeendigung für den Mieter haben würde und wie sich eine Vertragsfortsetzung auf den Vermieter auswirkt. Dabei kann zu Lasten des Vermieters berücksichtigt werden, dass er die Wohnung schon mit dem Ziel der Eigenbedarfskündigung in vermietetem Zustand gekauft hat und bereits zum Zeitpunkt des Wohnungserwerbs mit Schwierigkeiten, nämlich dem Bestehen von Härtegründen rechnen musste. Auf der anderen Seite ist grundsätzlich dem Rückerlangungsinteresse des Eigentümers, wenn es von vernünftigen Gründen getragen ist, der Vorrang vor den Interessen des Mieters einzuräumen, da das Eigentum privatnützig ist und der Eigentümer im Prinzip nach Belieben über den Eigentumsgegenstand verfügen darf.

Nach der gesetzlichen Regelung ist das Mietverhältnis grds. auf bestimmte Zeit fortzusetzen (§ 574 a Abs. 1 S. 1 BGB). Maßgeblich ist, wann das Räumungshindernis voraussichtlich entfällt. Dies muss auf Grund einer Prognose festgestellt werden. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit über den Zeitpunkt des Wegfalls des Räumungshindernisses ist nicht erforderlich. Es genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass das Räumungshindernis binnen der Fortsetzungszeit entfällt.

Die Abwägung zwischen den unterschiedlichen Interessen führt streitgegenständlich dazu, dass das Mietverhältnis hier befristet bis 30.09.2021 fortzusetzen ist.

Die Klage war insoweit als unbegründet abzuweisen.

II.

Bezüglich des hier geltend gemachten Nachzahlungsbetrages im Hinblick auf eine erhöhte Nutzungsentschädigung in Höhe von 752,00 € für die Zeit von März 2020 bis Juni 2020 war die Klage abzuweisen.

Insoweit lief das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung vom 04.02.2020 noch bis zum 30.11.2020 zum vertraglichen Mietzins.

Daher schuldeten die Beklagten schon keine Nutzungsentschädigung und demgemäß auch keinen evtl. Erhöhungsbetrag diesbezüglich.

III.

Die Beklagten waren zur Nachzahlung eines Mietrückstands in tenoriertem Umfang für die Zeit vom 01.12.2020 bis zum 30.04.2021 zu verurteilen.

Zwar ist grundsätzlich ein Mietverhältnis nach § 574a BGB zu den bisherigen Bedingungen fortzusetzen.

Eine Änderung der Bedingungen ist aber im Interesse des Vermieters möglich (§ 574 a Abs. 1 S. 2 BGB). Dies setzt voraus, dass dem Vermieter eine Vertragsfortsetzung zu den bisher geltenden Vertragsbedingungen nicht zuzumuten ist.

Von einer Unzumutbarkeit der Bedingungen kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn die Vertragsbedingungen von den in der Gemeinde üblichen Mietbedingungen zum Nachteil des Vermieters abweichen. Das umfasst auch die Höhe der Miete. Hier wird ein Interessenausgleich zwischen Mieter und Vermieter geschaffen. Wenn schon das Mietverhältnis fortzusetzen ist, dann jedoch zu den ortsüblichen Bedingungen

Daher war die Vertragsmiete für den Zeitraum der Fortsetzung des Mietverhältnisses anzupassen auf die ortsübliche Vergleichsmiete.

Insoweit war auf den aktuellen … Mietspiegel zurückzugreifen.

Die Zu- und Abschläge wurde durch die Beklagtenseite nicht bestritten und galten damit als zugestanden, § 138 Abs. 2 ZPO. Hieraus errechnet sich für die gegenständliche Mietwohnung der Beklagten eine durchschnittliche Kaltmiete von 777,48 € bei Baujahr 1981 und einer Wohnfläche von 93 qm. Inklusive Nebenkostenvorauszahlung beläuft sich die Miete ab der Fortsetzung des Mietverhältnisses damit auf insgesamt 977,48 €. Damit hatte sich die monatliche Miete um 156,48 € gegenüber der ursprünglichen Miete erhöht, so dass sich für die Monate Dez. 2020 bis April 2021 ein Nachzahlungsbetrag von insgesamt 782,40 € errechnete.

IV.

Im Übrigen waren die Beklagten im Hinblick auf die zukünftig geschuldete Mietzahlung zur weiteren Mietzahlung ab Mai 2021 wie tenoriert zu verurteilen.

Dabei war von Klägerseite nicht die vertraglich vereinbarte Miete, sondern nur der monatliche Mehrbetrag eingeklagte worden. Dies war durch das Gericht zu berücksichtigen, so dass die Beklagten auch nur zur Zahlung dieses Mehrbetrages verurteilt werden konnten und durften.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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