AG Tempelhof-Kreuzberg – Az.: 2 C 225/13 – Urteil vom 26.03.2014
1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, die von ihr bewohnte Wohnung in der F-Allee in 10247 Berlin, 3. OG Mitte, bezeichnet mit der Wohnungsnummer zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Räumung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4400,- EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können die Beklagten die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Beklagte zu 1.) schloss am 08.12.2008 einen Mietvertrag mit der H Liegenschaften I über eine Wohnung im Hause F-Allee in 10247 Berlin, 3. OG, Mitte.
Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 08.07.2013 die Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2013 und begründete dies mit der Absicht, selbst in der Wohnung leben zu wollen.
Die Klägerin behauptet, das Wohnobjekt in der F-Allee in 10247 Berlin sei durch die ursprünglichen Eigentümer, der M Gewerbebau GmbH & Co. KG Projektgesellschaft und Herrn W als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in Wohnungseigentum aufgeteilt worden. Die Eintragung sei am 12.01.2008 erfolgt. Im Jahr 2012 sei eine Realteilung in fünf Wohnungseigentümergemeinschaften erfolgt, was am 31.07.2012 in das Grundbuch eingetragen worden sei. Sie, die Klägerin, habe die Wohnung im Jahr 2012 durch Kauf erworben und sei am 19.04.2013 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden. Sie wohne derzeit zur Miete und wolle in die Wohnung einziehen.
Die Klägerin hat zunächst die Feststellung einer Verpflichtung zur Herausgabe geltend gemacht. Nach Ablauf der Kündigungsfrist haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Darüber hinaus haben die Parteien die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage nach deren Auszug übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt nun, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, die von ihr bewohnte Wohnung in der F-Allee in 10247 Berlin, 3. OG Mitte, bezeichnet mit der Wohnungsnummer 912-10-2 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, die Aufteilung in Wohnungseigentum sei ausweislich der von der Klägerin zu Akte gereichten Anlage K 5 erst am 31.07.2012 in das Grundbuch eingetragen worden. Daher gelte die Kündigungsbeschränkung des § 577 a BGB.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Klägerin als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.3.2014 Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1.) einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in der F-Allee in 10247 Berlin, 3. OG Mitte gemäß aus § 546 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat das Mietverhältnis gegenüber der Beklagten zu 1 gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB wirksam beendet.
Der Kündigungsgrund des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt vor. Er setzt voraus, dass die Klägerin die Wohnung für sich benötigt. Benötigt wird die Wohnung, wenn die Absicht der Eigennutzung besteht und diese Absicht auf vernünftigen und billigenswerten Erwägungen beruht (BVerfG WuM 89, 114). Die Klägerin hat ihre Absicht, selbst in der Wohnung leben zu wollen, im Rahmen der Parteivernehmung glaubhaft bekundet. Die Aussage der Klägerin war schlüssig und frei von Widersprüchen. Die Gründe der Eigennutzungsabsicht sind auch nachvollziehbar. Die Klägerin lebt derzeit in einer von Schimmel befallenen Mietwohnung. Der Wusch, statt dessen in der eigenen Eigentumswohnung zu leben, ist vernünftig und nachvollziehbar. Die finanzielle Belastung sinkt und Unsicherheiten über den Bestand des Mietverhältnisses entfallen.
Das Recht zur Eigenbedarfskündigung war nicht gem. § 577a BGB i.V.m. §§ 1, 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin in der vom 1.9.2011 bis zum 30.9.2013 gültigen Fassung ausgeschlossen. Die Vorschrift greift nicht, weil Wohnungseigentum erstmals im Januar 2008 und damit vor der Überlassung der Wohnung an die Beklagte zu 1 begründet wurde. Maßgeblich für die Sperrfrist nach § 577a BGB ist die erstmalige Eintragung von Wohnungseigentum in das Grundbuch (Weidenkaff in Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch 70. Auflage, § 577a BGB, Rz. 4). Nach der durch die Klägerin zur Akte gereichten Kopie der notariellen Urkunde des Notars Dr. G in Braunschweig vom 28.01.2006 zu Beurkundungs-Nummer 65/2006 erfolgten eine Teilung des Grundstücks und die Bewilligung der Bildung von Sondereigentum an der von der Beklagten zu 1. innegehaltenen Wohnung bereits am 28.01.2006. Ausweislich des als Anlage K 10 zur Akte gereichten Grundbuchauszugs wurde diese Teilung am 12.01.2008 in das Grundbuch eingetragen. Der Tag der Eintragung ist für die Entstehung von Wohnungseigentum maßgeblich. Die Teilungserklärung und der als Anlage K 10 zur Akte gereichte Grundbuchauszug betreffen die von der Beklagten zu 1. inne gehaltene Wohnung. Sie betreffen den 302/100.000 Miteigentumsanteil an dem Flurstück 593 auf Flur 15, F-Allee in Berlin-Friedrichshain. Das Flurstück 593 wurde ausweislich des Grundbuchauszugs des Grundbuchs Friedrichshain Blatt 18202N (Anlage K 10 ) zunächst geteilt in die Flurstücke 651 bis 659. Ausweislich der Seite 8 der Teilungserklärung betrifft der am 28.01.2006 bewilligte Miteigentumsanteil von 302/100.000 die Wohnung im dritten Obergeschoss / Mitte des Hauses F-Allee.
Der von der Klägerin gleichfalls zur Akte gereichte Grundbuchauszug zu Blatt 22659 N des Grundbuchs von Friedrichshain steht dem nicht entgegen. Er belegt – gemeinsam mit den geröteten Passagen der Anlage K 10 – dass das am 12.01.2008 zu dem inzwischen aufgelösten Grundbuchblatt 18202 N begründete Wohnungseigentum für die Flurstücke 651 bis 654 aufgehoben wurde und für diese (darunter mit der Nummer 651 das hier streitige Grundstück) neues Wohnungseigentum begründet wurde. Dieser erneute Vorgang der Begründung von Wohnungseigentum löst aber keine erneute Sperrfrist aus. § 577a BGB knüpft an die erstmalige Begründung von Wohnungseigentum an und lässt nachfolgende Änderungen unberührt. Die Änderung des bereits im Januar 2008 begründeten Wohnungseigentums berührt keine schutzwürdigen Belange des Mieters.
Das Schrifterfordernis des § 568 Abs. 1 BGB für die ordentliche Kündigung ist gewahrt. Das Kündigungsschreiben vom 08.07.2013 ist darüber hinaus ausreichend begründet – § 573 Abs. 3 BGB. Bei der Eigenbedarfskündigung gem. 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat die Klägerin die Person, für die die Wohnung benötigt wird, sowie diejenigen Tatsachen, aus denen sich das Nutzungs- und Überlassungsinteresse ergibt, mitzuteilen (AG Bonn, Urt. v. 05.11.2010 – Az. 202 C 58/09).
Die Klägerin hat angegeben, dass sie die Wohnung für sich selbst benötigt und nicht weiter zur Miete wohnen möchte.
Die Beklagte hat der Kündigung nicht mit Schreiben vom 17.09.2013 wirksam nach § 574 I S. 1 BGB widersprochen.
Die Beendigung des Mietverhältnisses stellt keine nicht zu rechtfertigende Härte dar. Eine unzumutbare Härte ist dann gegeben, wenn dem Mieter aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen die Beschaffung angemessenen Ersatzwohnraums zu zumutbaren Bedingungen nicht möglich ist. Dabei kann eine Härte nicht schon auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung einer Ersatzwohnung in Folge der allgemein angespannten Wohnungsmarktlage gestützt werden (LG Karlsruhe, Urteil vom 18.04.1991 – Az. 5 S 47/91). Auch die mit einem Umzug verbundenen üblichen Nachteile begründen eine Härteregelung nicht. Bei unbefristeten Mietverhältnissen trägt der Mieter das Risiko einer wirksamen Kündigung (LG Krefeld, Urteil vom. 10.03.2010 – Az: 2 S 66/09, Urt. v. LG Berlin ZMR 1989, 425).
Die Kündigungserklärung vom 08.07.2013 hat das im Dezember 2008 begründete Mietverhältnis zum 31.10.2013 beendet, § 573c Abs. 1 BGB. Danach ist die Kündigung bei einem Mietvertrag, der noch nicht fünf Jahre besteht, zum Ablauf des übernächsten Monats wirksam, der dem Dritten Werktag eines Monats nach Zugang der Erklärung folgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO. Die Beklagten tragen die Kosten als unterliegende Partei. Sie tragen auch Im Umfang der teilweisen Erledigungserklärung die Kosten. Das Räumungsverlangen gegen die Beklagte zu 2 war ursprünglich aus § 546 Abs. 2 BGB begründet. Es wurde durch deren Auszug unbegründet. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 7 u. 11, 711 ZPO.