➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 C 1565/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern
Übersicht
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Beschluss der WEG über Dachterrassen-Sanierung für ungültig erklärt
- ✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Erfurt
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- Welche Anforderungen gelten für die Bestimmtheit von Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft?
- Inwieweit müssen vor der Beschlussfassung über Sanierungsmaßnahmen Vergleichsangebote eingeholt werden?
- Welche Duldungs- und Handlungspflichten haben einzelne Wohnungseigentümer bei Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum?
- Was sind die Rechtsfolgen, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft einen unbestimmten oder rechtswidrigen Beschluss fasst?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Erfurt
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Der Beschluss auf der Eigentümerversammlung vom 25.11.2022 wurde für ungültig erklärt.
- Die Beklagte, die Wohnungseigentümergemeinschaft, muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.
- Die Kläger hatten Sondernutzungsrechte an der Dachterrasse und wandten sich gegen die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen.
- Die Sanierungsmaßnahmen betrafen Fäulnisschäden der Deckenbalken unter der Dachterrasse.
- Der angefochtene Beschluss war nicht hinreichend bestimmt und entsprach nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung.
- Der Beschluss war unklar hinsichtlich der zu beauftragenden Firmen und der Kostentragung.
- Eine Einholung von Vergleichsangeboten für die Sanierungsmaßnahmen fehlte, was der ordnungsgemäßen Verwaltung widerspricht.
- Das Gericht entschied, dass eine klare und bestimmte Beschlussfassung notwendig ist, um spätere Bindungen der Eigentümer zu vermeiden.
- Die fehlende Bestimmtheit des Beschlusses führte zur Ungültigkeit, da die Kostenlast und der Umfang der Maßnahmen unklar waren.
- Die Einhaltung der Bestimmtheitsanforderungen ist wesentlich, um die Rechte und Pflichten der Eigentümer transparent zu regeln.
Beschluss der WEG über Dachterrassen-Sanierung für ungültig erklärt
Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) sind für viele ein komplexes Thema. Oft ist nicht klar, welche Rechte und Pflichten Eigentümer haben, wenn es um Veränder am gemeinschaftlichen Eigentum geht. Streitigkeiten über Beschlüsse zur Instandhaltung oder Modernisierung sind leider keine Seltenheit.
Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) regelt die Rechtsbeziehungen innerhalb einer Eigentümergemeinschaft. Es soll einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Einzeleigentümer und der Gemeinschaft schaffen. Dabei geht es um Fragen wie: Wer darf was mit dem gemeinschaftlichen Eigentum machen? Wie werden Erhaltungsmaßnahmen beschlossen und finanziert? Welche Mitwirkungs- und Widerspruchsrechte haben die Eigentümer?
In der Praxis zeigt sich, dass eine sorgfältige, rechtlich korrekte Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft entscheidend ist, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Im Folgenden werden wir uns daher näher mit einem konkreten Gerichtsurteil befassen, das Licht auf die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beschlussfassung zu Baumaßnahmen im Bereich des Gemeinschaftseigentums wirft.
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✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Erfurt
Fäulnisschaden an Deckenbalken unter Dachterrasse führt zu Rechtsstreit
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung mit Sondernutzungsrecht an einer Dachterrasse. Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragte ein Bausachverständigenbüro mit der Begutachtung eines Fäulnisschadens der Deckenbalken unter der Dachterrasse. Der Sachverständige empfahl in seinem Gutachten vom 16.01.2021 die Durchführung diverser Sanierungsmaßnahmen.
In der Eigentümerversammlung vom 03.12.2021 fasste die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Beschluss über die Durchführung der aufgelisteten Sanierungsmaßnahmen. Es wurde geregelt, dass die Firma … nach Vorlage einer Kostenschätzung die Arbeiten durchführen soll und die Kosten als Sonderumlage auf alle Eigentümer umgelegt werden.
Streitpunkt: Beschluss zur unverzüglichen Umsetzung der Sanierungsarbeiten
Auf der Eigentümerversammlung am 25.11.2022 beschloss die Wohnungseigentümergemeinschaft, dass die Sanierungsarbeiten unverzüglich durch die bereits beauftragten Fachfirmen umgesetzt werden sollen. Die klagenden Eigentümer der betroffenen Wohnung sollten bei Weigerung zur Zutrittsgewährung der Dachterrasse durch einen Rechtsanwalt aufgefordert werden, Baufreiheit zu schaffen. Falls sie dem nicht nachkommen, sollen gerichtliche Schritte eingeleitet werden.
Entstehende Mehrkosten durch die Verzögerung sowie die anwaltlichen Gebühren sollen als Verzugsschaden gegenüber den klagenden Eigentümern geltend gemacht werden.
Die Kläger sind der Ansicht, dass der Beschluss unwirksam ist, da er nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht. Er sei zu unbestimmt bezüglich der Arbeiten, Zeiten, beauftragten Firmen und Finanzierung. Zudem begründe er rechtlich nicht bestehende Ansprüche gegen die Kläger.
Gericht erklärt Beschluss für ungültig
Das Amtsgericht Erfurt gab den Klägern Recht und erklärte den Beschluss für ungültig. Der Beschluss sei nicht hinreichend bestimmt, da weder der Kostenumfang noch die zugrunde liegenden Angebote ersichtlich seien. Dies widerspreche auch der ordnungsgemäßen Verwaltung, da vor Auftragsvergabe in der Regel zumindest drei Vergleichsangebote einzuholen seien.
Ferner könne den Klägern nicht die Pflicht auferlegt werden, die Dachfläche aktiv zu beräumen und Baufreiheit zu schaffen. Die gesetzlichen Regelungen und die Teilungserklärung begründen lediglich passive Duldungspflichten, aber keine Handlungspflichten der Eigentümer.
Vergleichsangebote erforderlich für wirtschaftliche und sachgerechte Beschlussfassung
Das Gericht betont, dass die Einholung von Vergleichsangeboten eine hinreichende Entscheidungsgrundlage für die Eigentümer gewährleisten soll. So können die angebotenen technischen Lösungen verglichen und eine wirtschaftliche, dauerhafte Mängelbeseitigung beschlossen werden.
Nur bei geringen Auftragsvolumen oder eindeutigen Anhaltspunkten, dass sich das Angebot im üblichen Rahmen bewegt, könne ausnahmsweise auf Alternativangebote verzichtet werden. Beides war hier aufgrund der Unbestimmtheit des Beschlusses nicht ersichtlich.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Die Entscheidung verdeutlicht die Anforderungen an einen rechtmäßigen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über Sanierungsmaßnahmen. Beschlüsse müssen hinreichend bestimmt sein und der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen, was regelmäßig die Einholung mehrerer Vergleichsangebote erfordert. Wohnungseigentümer haben bezüglich Instandsetzungsmaßnahmen lediglich passive Duldungs-, aber keine aktiven Handlungspflichten. Der Beschluss ist daher zu unbestimmt und begründet unzulässige Forderungen, weshalb er für ungültig zu erklären war.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Thema: WEG-Beschlussfassung
Welche Anforderungen gelten für die Bestimmtheit von Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft?
Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft über bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum müssen hinreichend bestimmt sein, um wirksam zu sein. Die Bestimmtheit ist eine zwingende Voraussetzung für die Gültigkeit eines Beschlusses.
Damit ein Beschluss als ausreichend bestimmt gilt, muss für die Wohnungseigentümer klar erkennbar sein, welche konkreten Maßnahmen vorgenommen werden sollen. Insbesondere müssen die Grundfragen der Art und Weise der Durchführung geregelt werden. Dazu gehören im Wesentlichen
- der Umfang der baulichen Veränderungen
- die Finanzierung der Maßnahmen
- der geplante Ablauf der Arbeiten
- vorliegende Kostenanschläge
Ferner sollte der Beschluss möglichst konkrete Angaben enthalten zu beauftragten Firmen, Datum und Nummer der Angebote sowie zur gewählten Ausführungsvariante, sofern der Anbieter mehrere Optionen offeriert hat.
Unzureichend bestimmt wäre ein Beschluss beispielsweise dann, wenn er keine Angaben dazu enthält, wo genau sich zu beseitigende Putzschäden an der Fassade befinden und welches Ausmaß diese haben. Auch eine grundsätzlich zulässige Bezugnahme auf Dokumente, die weder Teil des Beschlusstextes noch der Niederschrift sind, würde dem Bestimmtheitserfordernis nicht genügen.
Der Grundsatz der Bestimmtheit dient dem Schutz der Wohnungseigentümer. Diese sollen auf Basis des Beschlusses eindeutig erkennen können, welche Maßnahmen mit welchen Kosten auf sie zukommen. Nur so können sie in der Eigentümerversammlung eine informierte Entscheidung über die Zustimmung oder Ablehnung der baulichen Veränderung treffen.
Zugleich hat die Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes den Vorteil, dass mit Bestandskraft eines hinreichend bestimmten Beschlusses zwischen den Wohnungseigentümern ebenso wie im Verhältnis zu deren Rechtsnachfolgern Klarheit darüber herrscht, dass die bauliche Veränderung zulässig ist.
Werden bauliche Veränderungen ohne den erforderlichen Beschluss eigenmächtig von einem Eigentümer vorgenommen, können die übrigen Wohnungseigentümer deren Beseitigung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangen. Das gilt selbst dann, wenn der Eigentümer eigentlich einen Anspruch auf Gestattung der Maßnahme gehabt hätte. Erst Beschluss, dann Bau lautet hier die zwingende Reihenfolge.
Inwieweit müssen vor der Beschlussfassung über Sanierungsmaßnahmen Vergleichsangebote eingeholt werden?
Vor der Beschlussfassung über größere Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum müssen Wohnungseigentümergemeinschaften in der Regel mindestens drei Vergleichsangebote einholen. Dies hat die Rechtsprechung in ständiger Praxis entschieden.
Der Zweck dieser Vorgabe besteht darin, den Eigentümern eine ausreichende Entscheidungsgrundlage zu verschaffen. Durch den Vergleich mehrerer Angebote soll sichergestellt werden, dass zum einen technisch geeignete Lösungen gewählt werden, die eine dauerhafte Mängelbeseitigung versprechen. Zum anderen dient die Einholung von Alternativangeboten dazu, die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme zu gewährleisten und keine überteuerten Aufträge zu erteilen.
Die Angebote müssen den Eigentümern spätestens in der beschlussfassenden Versammlung vorliegen. Sie sollen den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen der einzelnen Angebote aufzeigen und ihnen ermöglichen, die Angemessenheit der Preise zu beurteilen. Ein Beschluss, der ohne Einholung ausreichender Vergleichsangebote gefasst wurde, ist in der Regel anfechtbar.
Es gibt jedoch Ausnahmen von dem Grundsatz der Einholung dreier Angebote. So kann es genügen, nur ein Angebot einzuholen, wenn das Auftragsvolumen sehr gering ist. Die Rechtsprechung sieht die Grenze teilweise bei 3.000 EUR, teilweise aber auch erst bei 5.000 EUR. Maßgeblich sind insoweit auch Größe und Finanzvolumen der Wohnanlage.
Ein Beispiel für den Verzicht auf Vergleichsangebote ist die Beauftragung eines öffentlich bestellten Sachverständigen zur Begutachtung des Sanierungsbedarfs. Hier dient das Gutachten der Aufklärung der technischen Möglichkeiten und ist der eigentlichen Sanierung vorgelagert. In diesem Fall reicht die Einholung eines Gutachterangebots aus.
Auch besondere Umstände des Einzelfalls können ein Abweichen von dem Grundsatz rechtfertigen. Gelingt es dem Verwalter trotz Bemühungen nicht, mehrere Angebote zu beschaffen und hält er dies in der Versammlung nachvollziehbar fest, kann der Beschluss auch ohne Vergleichsangebote ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Gleiches gilt, wenn dringende Gründe ein schnelles Handeln erfordern und deshalb keine Zeit für Einholung mehrerer Angebote bleibt.
Welche Duldungs- und Handlungspflichten haben einzelne Wohnungseigentümer bei Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum?
Einzelne Wohnungseigentümer haben bei Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum sowohl Duldungs- als auch Handlungspflichten. Diese Pflichten sind im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geregelt und betreffen insbesondere die Erhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums.
Duldungspflichten
- Betreten des Sondereigentums: Wohnungseigentümer müssen das Betreten und die Nutzung ihres Sondereigentums erlauben, wenn dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums erforderlich ist. Dies umfasst auch das Aufbrechen oder Zerstören von Bereichen des Sondereigentums, wenn dies notwendig ist, um Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen oder den Erhaltungsbedarf festzustellen.
- Einwirkungen auf das Sondereigentum: Eigentümer müssen Einwirkungen auf ihr Sondereigentum dulden, wenn diese auf einem zulässigen Gebrauch im Wohnungseigentumsrecht beruhen. Dies schließt normale Wohngeräusche ein, soweit sie auf einer zulässigen Nutzung beruhen.
- Ersatzwohnraum: Bei umfangreichen Sanierungsmaßnahmen, die die Nutzung der Wohnung vorübergehend unmöglich machen, muss die Eigentümergemeinschaft für Ersatzwohnraum sorgen. Die Kosten hierfür trägt die Gemeinschaft.
Handlungspflichten
- Mitwirkungspflicht: Eigentümer sind verpflichtet, an der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken. Dies umfasst die Teilnahme an Eigentümerversammlungen und die Mitwirkung an Beschlussfassungen.
- Anzeigepflicht: Eigentümer müssen Mängel am Gemeinschaftseigentum anzeigen, damit diese behoben werden können.
- Kostenbeteiligung: Die Kosten für Erhaltungsmaßnahmen werden in der Regel auf alle Wohnungseigentümer anteilig gemäß ihren Miteigentumsanteilen umgelegt. Dies gilt auch dann, wenn die Kosten sehr hoch sind oder einzelne Eigentümer wirtschaftlich überfordert sind.
Wohnungseigentümer müssen Maßnahmen zur Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums dulden und aktiv an der Beschlussfassung und Durchführung dieser Maßnahmen mitwirken. Sie sind verpflichtet, Mängel anzuzeigen und die Kosten anteilig zu tragen. Diese Pflichten gewährleisten, dass das Gemeinschaftseigentum in einem ordnungsgemäßen Zustand bleibt und Schäden vermieden werden.
Was sind die Rechtsfolgen, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft einen unbestimmten oder rechtswidrigen Beschluss fasst?
Hier ist eine Erläuterung zu den Rechtsfolgen von unbestimmten oder rechtswidrigen Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft und den Möglichkeiten der Eigentümer, sich dagegen zu wehren.
Fehlerhafte Beschlüsse der Eigentümerversammlung sind in der Regel anfechtbar, in seltenen Fällen sogar nichtig. Ein Beschluss ist anfechtbar, wenn er gegen Gesetz oder Vereinbarung verstößt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Beschlussfassung formelle oder inhaltliche Mängel aufweist. Ein anfechtbarer Beschluss entfaltet zunächst Rechtswirkungen. Er wird erst dann unwirksam, wenn er erfolgreich angefochten wird.
Die Anfechtung muss durch Erhebung einer Anfechtungsklage beim zuständigen Amtsgericht innerhalb eines Monats ab Beschlussfassung erfolgen (§ 46 Abs. 1 WEG). Versäumt ein Eigentümer diese Frist, wird der Beschluss bestandskräftig und entfaltet dauerhaft Rechtswirkungen, selbst wenn er rechtswidrig ist. Eine Ausnahme gilt nur für Beschlüsse, die nichtig sind.
Nichtigkeit liegt vor, wenn der Beschluss an besonders schwerwiegenden Fehlern leidet. Als Beispiele sind zu nennen
- Beschlüsse, die gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot verstoßen
- Beschlüsse zu Themen, für die der Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz fehlt
- in sich widersprüchliche oder nicht hinreichend bestimmte Beschlüsse, die nicht vollzugsfähig sind
Ein nichtiger Beschluss ist von Anfang an unwirksam. Seine Nichtigkeit kann jederzeit ohne Einhaltung einer Frist gerichtlich geltend gemacht werden.
Für die gerichtliche Anfechtung ist zu beachten, dass die Klage seit der WEG-Reform 2020 gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten ist (§ 44 Abs. 2 WEG). Eine Klage gegen die übrigen Eigentümer wahrt die Anfechtungsfrist nicht. Das Urteil wirkt für und gegen alle Wohnungseigentümer, auch wenn sie nicht selbst Partei des Rechtsstreits waren (§ 44 Abs. 3 WEG).
Praktisches Beispiel für einen anfechtbaren Beschluss wäre, wenn die Eigentümerversammlung mehrheitlich eine teure Sanierung beschließt, obwohl hierfür die Zustimmung aller Eigentümer erforderlich wäre (vgl. § 22 Abs. 1 WEG). Nichtig wäre z.B. ein Beschluss, der einem Eigentümer völlig unzumutbare Einschränkungen auferlegt und damit sittenwidrig ist.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 23 WEG (Wohnungseigentumsgesetz): Regelt die Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft. Ein Beschluss muss klar und bestimmt sein, damit alle Eigentümer und mögliche Rechtsnachfolger wissen, welche Verpflichtungen und Rechte bestehen.
- § 18 Abs. 2 WEG: Definiert die ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Der Beschluss muss im Einklang mit dieser Norm stehen, was unter anderem die Einholung von Vergleichsangeboten beinhaltet, um eine fundierte Entscheidung zu gewährleisten.
- § 10 Abs. 3 WEG: Bestimmt, dass Sondernachfolger an Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft gebunden sind. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer klaren und bestimmten Beschlussfassung.
- § 45 WEG: Setzt Fristen für die Erhebung und Begründung von Beschlussmängelklagen. Diese Fristen sind entscheidend, um die Rechtskraft von Beschlüssen zu gewährleisten oder anzufechten.
- Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung: Legen die individuellen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer fest. Sie bilden die Grundlage für viele Entscheidungen innerhalb der Gemeinschaft und müssen bei der Beschlussfassung berücksichtigt werden.
- Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG): Regelt die Vergütung von Rechtsanwälten. Im vorliegenden Fall wurden Anwaltshonorare als Verzugsschaden geltend gemacht, was die Bedeutung einer korrekten und rechtlich fundierten Beauftragung unterstreicht.
- Allgemeines Vertragsrecht (BGB): Insbesondere § 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben) spielt eine Rolle, wenn es um die Auslegung von Verträgen und Beschlüssen geht, um sicherzustellen, dass keine Partei unangemessen benachteiligt wird.
- Gutachterliche Stellungnahmen: Die Einbindung von Bausachverständigen und deren Gutachten ist wesentlich für die technische und finanzielle Planung von Sanierungsmaßnahmen und muss klar im Beschluss dargestellt werden.
⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Erfurt
AG Erfurt – Az.: 4 C 1565/22 – Urteil vom 22.09.2023
1. Der auf der Eigentümerversammlung vom 25.11.2022 zum Tagesordnungspunkt 8 gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Kläger sind Eigentümer der Sondereigentumseinheit Wohnung Nr. 8 im dritten Obergeschoss in dem …. Den Klägern steht ferner ein Sondernutzungsrecht an der Dachterrasse des Objekts … zu. Die Beklagte ist die betreffende Wohnungseigentümergemeinschaft.
Der gemeinschaftlichen Verwaltung des Objekts liegt die gemäß als Anlage K 1 (Bl. 6 ff. d.A.) zur Akte gereichte Teilungserklärung der Notarin … vom 22.12.1994 zugrunde, auf welche hinsichtlich der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragte das Bausachverständigenbüro … mit der Begutachtung eines Fäulnisschadens der Deckenbalken unter der Dachterrasse.
Der Sachverständige … führte hierzu am 11.01.2021 einen entsprechenden Ortstermin durch und empfahl in seinem Gutachten vom 16.01.2021 die Durchführung diverse Sanierungsmaßnahmen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit auf die Anlage B 2, Bl. 81 ff. d.A., Bezug genommen.
In der Eigentümerversammlung vom 03.12.2021 wurde unter dem Tagesordnungspunkt 2 „Bericht des Verwalters“ unter anderem ausgeführt, dass die Firma … am 21.09.2021 eine Terrassenöffnung durchgeführt hat sowie das über die Durchführung von entsprechenden Sanierungsarbeiten ein entsprechender Beschluss gefasst werden soll. In der Eigentümerversammlung vom 03.12.2021 fasste die Wohnugseigentümergemeinschaft unter dem Tagesordnungspunkt 8 sodann einen Beschluss, über die Durchführung der – im Einzelnen aufgelisteten – Sanierungsmaßnahmen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit auf Bl. 103 d.A. Bezug genommen. Weiterhin wurde in dem Beschluss ausgeführt:
„Die Fa. … soll nach Vorlage einer Kostenschätzung die o.g. Arbeiten weiter durchführen. Herr … wird weiterhin für die Betreuung des Bauvorhabens beauftragt.
Die Kosten werden in Form einer Sonderumlage entsprechend der Miteigentumsanteile auf alle Eigentümer umgelegt.“
Weitere Regelungen zu den anfallenden Kosten, eingeholter Vergleichsangebote oder der konkreten Durchführung der Sanierungsmaßnahmen enthielt der Beschluss nicht.
Auf der Eigentümerversammlung am 25.11.2022 wurde unter dem Tagesordnungspunkt 8 von der Beklagten sodann der folgende hier streitgegenständliche Beschluss gefasst:
„Die Wohnungseigentümergemeinschaft …, beschließt, dass die final in der Eigentümerversammlung vom 03.12.2021 festgelegten Sanierungsarbeiten unverzüglich durch die bereits beauftragten Fachfirmen umgesetzt werden sollen. Die Eigentümer der WE …, Frau … und Herr …, sollen bei Aufrechterhaltung ihrer Weigerungshaltung zur Zutrittsgewährung der Dachterassenfläche durch einen Rechtsanwalt und Fachanwalt – namentlich Herrn Dr. … – aufgefordert werden, vor Beginn der Arbeiten, spätestens 2 Wochen nach Anzeige des Beginns der Arbeiten, die Beräumung der Dachfläche (Sondernutzungsfläche) zu veranlassen, Baufreiheit zu schaffen und diesen Zustand für die Dauer der Arbeiten aufrecht zu erhalten. Dabei soll der zu beauftragende Rechtsanwalt zunächst eine außergerichtliche Inverzugsetzung herbeiführen.
Sollte nach entsprechendem Fristablauf die Weigerungshaltung aufrecht erhalten bleiben, kann der beauftragte Anwalt dann gerichtliche Schritte unverzüglich einleiten. Dazu beauftragt die WEG Herrn Rechtsanwalt … mit der Umsetzung der Rechte der WEG zu den honorrarrechtlichen Bedingungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (Honorierung streitwertabhängig).
Einen etwaigen Vergleichsabschluss darf Herr Rechtsanwalt … erst nach Freigabe durch die Verwaltung – diese wiederum in Abstimmung mit dem Beirat – final schießen.
Sofern durch die Verzögerung der Arbeiten der Eigentümergemeinschaft unter Beachtung der bereits beauftragten Firmen Mehrkosten entstehen, sind diese ebenfalls im Rahmen des Verzugsschadens gegenüber den vorgenannten Eigentümern … und … geltend zu machen. Diese Anspruchserhebung ist von der gerichtlichen Geltendmachung im Rahmen der vorliegenden Beschlussfassung mit umfasst.
Ebenfalls sollen die anwaltlichen Gebühren als Verzugsschaden gegenüber den vorgenannten Eigentümern mit geltend werden.“
Die Kläger sind der Ansicht, dass der Beschluss unwirksam sei, da er nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung entspräche. Der Beschluss sei zu unbestimmt, da weder die Arbeiten, noch die Zeiten oder die beauftragten Firmen erkennbar seien und auch die Finanzierbarkeit nicht geklärt sei. Des Weiteren begründe der Beschluss rechtlich nicht bestehende Ansprüche gegen die Kläger, welche durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts durchgesetzt werden sollen.
Die Kläger beantragen, der auf der Eigentümerversammlung vom 25.11.2022 zum Tagesordnungspunkt 8 gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht und inhaltlich bestimmt genug sei. Die Rechtsgrundlage für die in dem Beschluss den Klägern auferlegten Verpflichtungen würden aus § 4 Abs. 5 der Teilungserklärung folgen, wonach geregelt sei, dass jeder Eigentümer die in seinem Sondereigentum verlaufenenden oder verlegten Ver- und Entsorgungsleitungen einschließlich deren Instandhaltung ohne Entschädigung zu dulden habe. Ferner würde sich diese Verpflichtung auch aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Beschlussmängelklage ist innerhalb der gemäß § 45 WEG normierten Monatsfrist erhoben und innerhalb der weiteren Monatsfrist begründet worden.
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg, da die Beschlussfassung zu Top 8 der Wohnungseigentümerversammlung vom 25.11.2022 nicht hinreichend bestimmt war, keiner ordnungsgemäßen Verwaltung entsprach und auf die Anfechtungsklage der Kläger für ungültig zu erklären war.
1. Der angefochtene Beschluss über die Durchführung der Instandsetzungs- bzw. Erhaltungsmaßnahmen an der Dachterasse und am Dach der Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht hinreichend bestimmt und war bereits insoweit aufzuheben.
Der Inhalt eines Beschlusses muss, insbesondere weil ein Sondernachfolger nach § 10 Abs. 3 WEG ggf. an Beschlüsse gebunden ist, klar und bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Der Inhalt muss dem Beschluss selbst zu entnehmen sein (Dötsch, in: Bärmann, WEG, 15. Auflage 2023, § 23, Rn. 88). Beschlüsse der Wohnungseigentümer sind wie im Grundbuch eingetragene Regelungen der Gemeinschaftsordnung „aus sich heraus“ objektiv und normativ auszulegen, ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen der an der Beschlussfassung Beteiligten ankommt (Dötsch, in: Bärmann, WEG, 15. Auflage 2023, § 23, Rn. 93). Maßgebend sind dabei der Wortlaut und der sonstige Protokollinhalt. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses können nur berücksichtigt werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (Dötsch, in: Bärmann, WEG, 15. Auflage 2023, § 23, Rn. 93).
Nicht nur bei der Beschlussfassung über bauliche Veränderungen von Gemeinschaftseigentum, sondern auch bei der Beschlussfassung über Maßnahmen der Instandhaltung oder Instandsetzung muss hinreichend bestimmt sein, welche konkreten Maßnahmen vorgenommen werden sollen. Ferner müssen die Grundfragen der Art und Weise der Durchführung namentlich Umfang, Finanzierung, Ablauf sowie aufgrund welches Kostenvorschlags/Angebots die Maßnahme durchgeführt wird, geregelt werden (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 19 Rn. 104; Dötsch, in: Bärmann, WEG, 15. Auflage 2023, § 23, Rn. 89).
Es ist hierbei zunächst nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im Vorliegenden zunächst im Beschluss unter Top 8 der Eigentümerversammlung vom 03.12.2021 nur über den Umfang der Maßnahmen bzw. das „Ob“ entschieden hat und die Umsetzung in einem gesonderten Beschluss in der Eigentümerversammlung treffen wollte. Der Wohnungseigentümergemeinschaft steht es vielmehr grundsätzlich offen, ein zweistufiges Verfahren zu wählen, wonach zunächst in einem Grundlagenbeschluss das „Ob“ der Erhaltungsmaßnahmen und in einem Ausführungsbeschluss das „Wie“ der Erhaltungsmaßnahmen beschlossen wird (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 19 Rn. 108), auch hierbei muss aber jeder der beiden Beschlüsse den Bestimmtheitsanforderungen Rechnung tragen.
Der von der Wohnungseigentümergemeinschaft in der Eigentümerversammlung vom 25.11.2022 unter Top 8 gefasste Beschluss wahrt diese Voraussetzungen nicht. Er lässt bereits nicht im Ansatz erkennen, aufgrund welches Angebots eine Beauftragung der Fachfirmen erfolgte. Es ist für die einzelnen Eigentümer gänzlich unklar, welche Kosten durch die Sanierungsmaßnahmen hervorgerufen werden und in welchen Umfang Verpflichtungen der Wohnungseigentümergemeinschaft durch die auszuführenden Arbeiten entstehen. Bereits aufgrund der fehlenden Bestimmtheit hinsichtlich der Kostentragung sowie des finanziellen Umfangs der Erhaltungsmaßnahmen vermag der Beschluss keinen Bestand zu haben. Entgegen der Ansicht der Beklagten vermag auch eine Auslegung des Beschlusses nicht zu einer hinreichenden Bestimmtheit zu führen, da sich der getroffenen Regelung bereits im Ansatz nicht entnehmen lässt, welche Kostenlast durch die Erhaltungsmaßnahmen hervorgerufen wird und auf Grundlage welcher Kostenvoranschläge die Maßnahmen durchgeführt werden. Für eine Auslegung ist insoweit kein Raum.
Auch der Verweis auf den in der Eigentümerversammlung vom 03.12.2021 unter Top 8 gefassten Beschluss verfängt nicht, da auch aus diesem kein Kostenumfang für die durchzuführenden Maßnahmen ersichtlich wird, sondern lediglich vereinbart wurde, dass „die Fa. … (soll) nach Vorlage einer Kostenschätzung die o.g. Arbeiten weiter durchführen“ soll.
2. Der Beschluss entspricht des Weiteren nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung gemäß § 18 Abs. 2 WEG.
Der Ordnungsgemäßheit des Beschlusses steht die fehlende Einholung von Vergleichsangeboten entgegen.
Die Vergabe eines Auftrages für die Durchführung größerer Instandsetzungsarbeiten widerspricht der ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn der Verwalter nicht in der Regel zumindest drei Vergleichs- oder Konkurrenzangebote eingeholt hat (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.09.1999 – 2Z BR 54/99; LG Hamburg, Urteil vom 15.02.2012 – 318 S 119/11; LG Hamburg, Urteil vom 12.11.2014 – 318 S 74/14, LG Itzehoe, Urteil vom 5. Januar 2018 – 11 S 1/17).
Die Einholung entsprechender Vergleichsangebote soll eine hinreichende Entscheidungsgrundlage für die Ausübung des den Wohnungseigentümern zustehenden Ermessens bei der Auswahl der erforderlichen Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen und des mit der Durchführung dieser Maßnahmen zu beauftragenden Unternehmers gewährleisten. So soll erreicht werden, dass die Wohnungseigentümer die von den unterschiedlichen Unternehmen angebotenen technischen Lösungen miteinander vergleichen können, um sich für diejenige Lösung zu entscheiden, die eine dauerhafte Beseitigung von Mängeln und Schäden verspricht. Andererseits sollen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit beachtet werden, indem keine überteuerten Aufträge erteilt werden (LG Itzehoe, Urteil vom 5. Januar 2018 – 11 S 1/17; vgl. auch Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 18 Rn. 32; MüKoBGB/Rüscher, 9. Aufl. 2023, WEG § 19 Rn. 32).
Diese Anforderungen sind im Vorliegenden nicht beachtet.
Aus dem von der Eigentümerversammlung am 25.11.2022 gefassten Beschluss ergibt sich nicht, dass vor der Beauftragung der Fa. … mit den Sanierungsmaßnahmen die Einholung von Vergleichsangeboten erfolgte, welche den Wohnungseigentümern zur Verfügung gestellt wurden, um diesen vor der Beschlussfassung eine ausreichende Erkenntnisgrundlage für die Ausübung ihres Ermessens zu verschaffen. Sofern die Beklagte auf die Rechtsprechung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17.05.2018, Az. 2-13 S 26/17, verweist, wonach die Einholung von Vergleichsangeboten nicht erforderlich sein soll, verfängt dies im Vorliegenden nicht. Insoweit wird verkannt, dass das Landgericht Frankfurt am Main entschieden hat, dass Alternativangebote für eine Auftragsvergabe nur ausnahmsweise dann nicht eingeholt werden müssen, wenn das Auftragsvolumen gering ist oder sich aus anderen Umständen Anhaltspunkte für die Wohnungseigentümer ergeben, dass sich das vorgelegte Angebot im Rahmen des Üblichen bewegt. Beides ist im Vorliegenden nicht ersichtlich. Vielmehr wirkt sich insoweit im Besonderen aus, dass der Beschluss – wie oben ausgeführt – in Bezug auf die Kostenlast nicht hinreichend bestimmt ist. Es fehlt den Wohnungseigentümern daher bereits an der entsprechenden Tatsachengrundlage, um beurteilen zu können, ob es sich lediglich um ein geringfügiges Auftragsvolumen handelt, welches die Einholung von Vergleichsangeboten entbehrlich machen könnte oder ob es sich um umfangreiche und kostenintensive Sanierungsmaßnahmen handelt.
Aus dem Beschluss lassen sich des Weiteren keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, ob sich das Angebot im Rahmen des Üblichen hält.
Vielmehr kann das Gericht eine solche Beurteilung bereits insoweit nicht vornehmen, da ein entsprechendes Angebot der Firma … mit einer konkreten Auftragssumme weder im Beschluss genannt noch diesem beigefügt ist. Es ist daher weder den Wohnungseigentümern noch dem Gericht möglich, zu beurteilen, ob sich das Angebot auf eine geringfügige Auftragssumme beschränkt oder im Rahmen des Üblichen bewegt, so dass die Einholung von Vergleichsangeboten nicht ausnahmsweise entbehrlich war.
3. Der Beschluss ist des Weiteren auch insoweit aufzuheben, da er den Klägern – die rechtlich nicht bestehende – Pflicht auferlegt, die Dachfläche zu beräumen und einen Zustand der Baufreiheit zu schaffen.
Die Beklagte kann sich dabei nicht darauf berufen, dass die Kläger gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG dazu verpflichtet sind, die Dachfläche zu räumen.
Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG sind die Wohnungseigentümer dazu verpflichtet, das Betreten des Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst. Aus der Vorschrift folgt die Pflicht, Erhaltungs- und andere Baumaßnahmen zu dulden, welche die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchführt. Die Vorschrift betrifft zunächst alle Einwirkungen, die einer Vereinbarung oder einem Beschluss entsprechen, also durch deren Ausführung bedingt sind. Zu dulden sind demnach etwa Immissionen wie Baulärm, der durch die Ausführung eines Beschlusses über die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verursacht wird (vgl. zum Ganzen Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 14 Rn. 18).
Die Reglung enthält jedoch ihrem Wortlaut nach ausschließlich eine passive Duldungsverpflichtung (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 14 Rn. 17; BeckOGK/Falkner, 1.5.2023, WEG § 14 Rn. 104). Als aktive Handlungsverpflichtung umfasst die Regelung als Annex allein die Gewährung des Zugangs; mithin das Öffnen der Türen. Eine weitere Verpflichtung zur Vornahme von aktiven Handlungen – wie beispielhaft dem Beräumen der Dachterrasse durch die Kläger – lassen sich der Regelung nicht entnehmen. Die Kläger sind demnach lediglich verpflichtet, eine Beräumung der Dachterrasse durch die Wohnungseigentümergemeinschaft oder der von diesen beauftragten Firmen zu dulden, nicht hingegen dazu, aktiv einen Zustand der Baufreiheit zu schaffen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 08.07.2022, Az. V ZR 207/21, da auch diese Entscheidung bestätigt, dass die Regelung des § 14 Nr. 4 Hs. 1 WEG a.F. eine Duldungspflicht und keine Handlungspflicht statuierte („Diese Verpflichtung umfasst im Einzelfall die Duldung“, BGH NJW-RR 2022, 1598 Rn. 13).
Die Beklagte kann sich ferner zur Herleitung einer Handlungspflicht der Kläger nicht auf die Regelung des § 4 Abs. 5 der Teilungserklärung berufen. In dieser ist geregelt, dass „jeder Eigentümer (hat) die in seinem Sonder- oder Teileigentum verlaufenden oder verlegten Ver- und Entsorgungsleitungen jeder Art – einschließlich Nebenanlagen und deren Betriebsfähigkeit, Instandhaltung und Erneuerung – ohne Entschädigung zu dulden“ hat. Einerseits enthält auch die Regelung in der Teilungserklärung dem Wortlaut nach allein eine Duldungspflicht („zu dulden“), andererseits bezieht sich die Regelung auf Ver- und Entsorgungsleitungen und mithin nicht auf die Problematik der Räumung der Dachterrasse.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der entstehenden Verfahrenskosten folgt aus § 709 Satz 2 ZPO.