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Mietminderung wegen Lärmbelästigungen durch Straßenausbau

AG Köpenick, Az.: 3 C 336/10, Urteil vom 09.04.2013

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt nach erfolgter Teilrücknahme eines Mangelbeseitigungsbegehrens noch die Rückerstattung von minderungsbedingt überzahlter Miete im Zeitraum Oktober 2009 bis August 2010 sowie die Feststellung, dass ihr ein Recht zur Mietminderung in Höhe von 13% aufgrund des von einem nahe gelegenen Autobahnzubringers ausgehenden Verkehrslärms zusteht.

Die Klägerin ist seit 15.9.1963 Mieterin der nunmehr im Eigentum der Beklagten stehenden und in der S. Berlin gelegenen Wohnung. Die monatliche Miete beträgt 247,91 € zuzüglich Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 63,00 €. Die Wohnung befand sich zum Zeitpunkt ihrer Anmietung in einer ruhigen Wohnlage. Durch den Ausbau der Autobahn A 113 seit dem Jahre 2001 und deren Eröffnung im Jahr 2008 liegt die Wohnung der Beklagten nunmehr in der Nähe eines Autobahnzubringers. 1995 wurden in die Wohnung der Klägerin neue Fenster eingebaut.

Mietminderung wegen Lärmbelästigungen durch Straßenausbau
Symbolfoto: Micha Klootwijk/Bigstock

Die Klägerin ist der Ansicht, aufgrund der mit dem Autobahnverkehr einhergehenden Geräuschemissionen und aufgrund ungenügenden Schallschutzes ihrer Wohnung ein Recht zur Minderung in Höhe von 13 % des Bruttomietzinses zu haben. Dies begründet sie im Einzelnen damit, dass es seit der Eröffnung der Autobahn im Mai 2008 zu erheblicher Lärmbelästigung durch den an- und abfließenden Verkehr, insbesondere durch LKWs und Rettungsfahrzeuge gekommen sei. Der Verkehrslärm erreiche ihr Wohnhaus ungefiltert und dringe durch die geschlossenen Fenster bis in ihre Wohnung. Durch die anhaltende Schlaflosigkeit welche durch den Lärm verursacht sei, sei auch ihre Gesundheit erheblich beeinträchtigt. Bei Anmietung der Wohnung – vor 50 Jahren – habe sie nicht damit gerechnet, dass diese sich einmal in der Nähe eines Autobahnzubringers befinden werde. Hinzu komme, dass in einem zuvor vor dem Amtsgericht Köpenick durchgeführten Beweissicherungsverfahren 15 H1/08 das Gutachten des Diplomingenieurs S. eingeholt worden sei. Dieser habe festgestellt, dass Fenster und Balkontür lediglich ein Schalldämmmaß von 32 dB aufwiesen. Sie habe daher beginnend ab Oktober 2008 die Miete um 10 % gemindert. Die Fenster der Wohnung entsprächen nicht den allgemeinen Regeln der Technik zum Zeitpunkt der letzten Wohnungssanierung im Jahr 1995. Nach den aktuellen statistischen Erhebungen sei mindestens die Schallschutzklasse 4 mit einem dem Dämmmaß zwischen 40 und 44 dB erforderlich. Dieser bautechnische Mangel sei ursächlich für eine erhebliche Beeinträchtigung des vereinbarten Wohngebrauchs. Die Klägerin verweist insoweit auf die von ihr eingereichten Lärmprotokolle für August 2008 bis Juli 2010.

Über die von der Klägerin vorgenommene Minderung im Zeitraum Oktober 2008 bis einschließlich September 2009 hat das Amtsgericht Köpenick zum Aktenzeichen 4C 116 /10 mit Urteil vom 2. Juli 2010 der Klägerin monatliches Minderungsrecht von 7,5 % wegen der Lärmbelästigung zugesprochen. Mit der jetzigen Klage macht die Klägerin die von ihr auf der Grundlage eines Minderungsbetrages von 13 % überzahlten Miete für die Monate Oktober 2009 bis einschließlich August 2010 geltend. In diesem Zeitraum hat die Klägerin die Miete unter erklärten Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht in voller Höhe entrichtet. Mit Schreiben vom 21. Juli 2010 hat die Klägerin die Beklagte vergeblich aufgefordert, die zu viel gezahlte Miete bis zum 5. August 2010 zurückzuzahlen.

Ihren Antrag auf Beseitigung der Schall- und Akustikmängel an sämtlichen Fenstern und der Balkontür, so dass diese der Schallschutzklasse 4 entsprechen, hat die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Die Klägerin rügte in der mündlichen Verhandlung am 5.4.2011, dass sich der Beklagtenvertreter in einem Interessenkonflikt befinde, da er sie in einer Verkehrsunfallsache vertreten habe. Sie lehne ihn daher ab.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 444,73 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 40,55 € ab dem 5. Oktober 2009, aus je 40 € 42. den für November 2009, dem 5. Dezember 2009, den 5. Januar 2010, 5. Februar, 5. März, 5. April, 5. Mai, 5. Juni, 5. Juli und 5. August 2010 zu zahlen,

2. festzustellen, dass der Klägerin für den Zeitpunkt ab September 2010 für die Zukunft ein Mietminderungsrecht in Höhe von 13 % der Bruttomiete hinsichtlich der durch den Straßenverkehr hervorgerufenen Lärmbelästigung bis zu Beseitigung der Schall- und Akustikmängel an den Fenstern zusteht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass Fenster und Balkontür Mangel behaftet sind und wendet hinsichtlich der Lärmbelästigung durch die Eröffnung der Autobahn ein, dass die Klägerin mit dem Bau derselben und den damit einhergehenden Belästigungen habe rechnen müssen. Die Autobahn sei 280 Meter entfernt und die hierdurch verursachte Lärmbelastung stelle keinen Mangel der Mietwohnung dar. Sie beruhe vielmehr auf der allgemein gesteigerten Verkehrsentwicklung sowie den historischen und städtebaulichen Veränderungen der letzten 50 Jahre, weshalb sie von der Klägerin hinzunehmen seien. Die Fenster entsprächen den Stand der Technik des Jahres 1995. Für den Umstand, dass das vorhandene Schalldämmmaß von 31 dB ausreiche, verweist sie auf den Umstand, dass der in dem zitierten Beweissicherungsverfahren am 8.1.2010 gegen 15:30 Uhr in der Wohnung der Klägerin anwesende Sachverständige festgestellt habe, dass der Eintritt von Schallwellen bei geschlossenen Fenstern nicht wahrgenommen werden könne. Sie bestreitet die Behauptung der Klägerin dass ein Schalldämmmaß von 40-44dB erforderlich sei. Das Urteil in dem Verfahren 4 C 116/10 entfalte zudem keine Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren. Ein Interessenskonflikt scheitere bereits an §45 BRAO. Die Vertretung der Beklagten in Mietsachen sei der Klägerin zudem bei Mandatserteilung offen gelegt worden. Das Verkehrsmandat sei niedergelegt.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die beigezogene Akte 15 H 1/08 verwiesen.

Das Gericht hat ferner Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, die ihre Wohnung betreffende verkehrsbedingte Lärmbelastung betrage zwischen 40 und 44 dB und bedürfe des Einbaus von Fenstern der Lärmschutzklasse 4. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das in der Akte befindliche Gutachten des Sachverständigen vom 24.9.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Beklagte ist ordnungsgemäß durch ihre Prozessbevollmächtigten vertreten. Ein Ablehnungsrechts steht der Klägerin ohnehin unter keinem Gesichtspunkt zu. Bereits aufgrund des unwidersprochenen Vortrages des Beklagtenvertreters ergibt sich zudem, dass ein Interessenkonflikt nicht vorliegt.

Die Klage ist unbegründet, denn der Klägerin steht ein Recht zur Mietminderung gemäß § 536 BGB aufgrund der von ihr dargestellten Lärmbelästigungen nicht zu.

Ein Mangel liegt vor, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache von dem vertraglich vereinbarten abweicht und damit eine nicht nur unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung einhergeht.

Maßgeblich ist dabei, ob der Mieter bereits bei Abschluss des Mietvertrages mit dem Eintritt der Störung rechnen musste. Anhaltspunkte dafür, dass bei Vertragsschluss eine ruhige Lage zugesichert wurde, bestehen nicht. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass über die Lage bei Vertragsschluss eine Vereinbarung getroffen wurde. Es ist üblicherweise von den Vertragsparteien gerade nicht gewollt, Straßenlärm, den der Vermieter nicht zu vertreten hat, als einen Mangel der Mietsache zu sehen, der zu einer Minderung berechtigt. Etwas anderes kann gelten, wenn eine ruhige Villenstraße aufgrund geänderter Verkehrsleitung zur Durchgangsstraße wird. (vgl. LG Berlin, 62 S 234/00 GE 2001, 135). Um einen solchen Ausnahmefall, bei dem die Lage bereits bei Vertragsabschluss eine zentrale und den Mietpreis gestaltende Eigenschaft der Mietsache einnimmt, handelt es sich aber gerade nicht. Bei einer Wohnung, die im innerstädtischen Bereich gelegen ist, muss in der Regel mit Veränderung der Verkehrswege, auch des Baus eines Zubringers zum Flughafen Schönefeld und dem damit einhergehenden Straßenlärm gerechnet werden. Die durch die Grenze zu Westberlin verursachte Ruhiglage war eine Folge des Mauerbaus. Auf deren dauerhaften Fortbestand konnte die Klägerin nicht vertrauen. Die Stadtentwicklung unterlag in den vergangenen 50 Jahren einer Vielzahl von Einflüssen, die zum Teil zu gravierenden Veränderungen u.a. auch der Verkehrssituation führten. Die Anbindung des Flughafens Schönefeld übereine Autobahnverbindung Richtung Innenstadt war eine auch schon vor dem Mauerfall zu beachtende städtebauliche Option. Dass Verkehrswege ausgebaut werden, gehört in Großstädten zu den üblichen Vorgängen, die auch ein Mieter bei der Anmietung einer Wohnung einkalkulieren muss. Die Verstärkung des Lärmpegels durch den Autobahnzubringer stellt daher nach Ansicht des Gerichts keinen Mangel dar.

Ein zur Minderung berechtigender Mangel liegt auch nicht etwa deshalb vor, weil die in der Wohnung der Klägerin 1995 eingebauten Fenster den vertraglich geschuldeten Anforderungen an den Schallschutz nicht genügten.

Der Sachverständigen hat in seinem Gutachten unzweifelhaft festgestellt, dass die eingebauten Fenster und die Balkontür unter keinem Gesichtspunkt mangelhaft sind. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Sie hat vielmehr ihren Antrag auf Mangelbeseitigung zurückgenommen und damit ihrem Minderungsbegehren – bis zur Beseitigung der vermeintlichen Mängel – zugleich die Grundlage entzogen.

Der Sachverständigen hat in seinem wissenschaftlich begründeten Gutachten, dessen Ergebnis sich das Gericht nach eigener kritischer Prüfung anschließt, festgestellt, dass die verkehrsbedingte Lärmbelastung in der Wohnung der Klägerin nicht 40 – 44 dB, sondern nur 21 – 28 dB beträgt. Damit geht die Einordnung der Fenster der klägerischen Wohnung in die Schallschutzklasse 1 einher. Die Empfehlungen an den maximal zulässigen Rauminnenpegel von Wohn – und Schlafräumen gem. VDI 2719 sind eingehalten und würden nach Aussagen des Sachverständigen auch im Falle einer Verdopplung des Verkehrsaufkommens zu keiner höheren Einstufung führen. Das Gericht hält daher die von der Klägerin wahrgenommenen Verkehrsgeräusche nicht für eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung.

Auch die Gesamtschau der einzelnen von den Klägern angeführten Punkte führt nicht zur Bejahung eines Mangels in Form von Verkehrslärm. Der innerstädtische Verkehr hat seit 1963 enorm zugenommen und viele Anwohner finden sich in langfristig betrachtet stark veränderten Wohnlagen wieder. Der gesteigerte Verkehrslärm mag bei der Neuvermietung und Mieterhöhungsbegehren Auswirkungen zeigen. Auf den bestehenden Mietvertrag entfaltet er keine Wirkung. Da es an einem erheblichen Mangel im Sinne des § 536 BGB fehlt, war die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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