Gericht weist Berufung gegen Räumungsklage ab.
Eine Räumungsklage gegen Mieter wurde vom Amtsgericht abgewiesen, da die Voraussetzungen für eine Beendigung des Mietverhältnisses nicht erfüllt waren. Eine Berufung gegen diese Entscheidung wurde nun gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Weder die von der Klägerin ausgesprochene fristlose noch die ordentliche Kündigung erforderten eine hinreichend erhebliche Pflichtverletzung der Beklagten, da weder die beklagten Mieter selbst Täter der behaupteten Betäubungsmitteldelikte waren noch ihr Sohn die Straftaten in Kenntnis der Beklagten begangen hatte.
Dementsprechend fällt den Beklagten kein persönliches Eigenverschulden zur Last, sondern lediglich ein ihnen gemäß § 278 BGB zugerechnetes Verschulden ihres Sohnes. Eine solche Pflichtverletzung wiegt für den Mieter bei der Beurteilung seiner Kündigung weit weniger schwer als eigenes Verschulden. Da die streitgegenständlichen Pflichtverletzungen das für den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung erforderliche Gewicht nicht haben, bedarf es keiner weiteren Entscheidung der Kammer.
Die Klägerin hat nun innerhalb von 2 Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme, auch zur Frage, ob die Berufung zurückgenommen wird, um eine Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV zu erhalten.
LG Berlin – Az.: 67 S 90/22 – Beschluss vom 09.06.2022
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung als offensichtlich unbegründet im Beschlusswege zurückzuweisen.
Gründe
I.
Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen.
Das Amtsgericht hat die Räumungsklage zutreffend abgewiesen, da die Voraussetzungen der §§ 985, 546 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind. Das Mietverhältnis ist nicht beendet. Einer abschließenden Entscheidung der Kammer, ob sich die Beklagten oder ihr Sohn pflichtwidrig verhalten haben, bedarf es insoweit nicht.
Denn die streitgegenständlichen Kündigungen rechtfertigen davon unabhängig eine Kündigung des Mietverhältnisses nicht. Sowohl die von der Klägerin ausgesprochene fristlose als auch die ordentliche Kündigung erfordern eine hinreichend erhebliche Pflichtverletzung der Beklagten. An einer solchen fehlt es. Es unterliegt zwar keinen Zweifeln, dass die dem Sohn der Beklagten zur Last gelegten Betäubungsmitteldelikte grundsätzlich geeignet wären, eine verhaltensbedingte Kündigung des Mietverhältnisses zu rechtfertigen, erst recht, wenn sich der Tatort – so wie von der Klägerin behauptet – in der Mietsache befunden hätte. Das hätte allerdings erfordert, dass entweder die beklagten Mieter selbst Täter der behaupteten Delikte gewesen wären oder ihr Sohn die behaupteten Straftaten in Kenntnis der Beklagten begangen hätte. An beidem fehlt es.
Damit aber fällt den Beklagten kein persönliches Eigenverschulden, sondern allenfalls ein ihnen gemäß § 278 BGB zugerechnetes Verschulden ihres Sohnes zur Last. Ein solches wiegt für den Mieter bei der Beurteilung der Erheblichkeit seiner Pflichtverletzung weit weniger schwer als eigenes (st. Rspr., vgl. nur Kammer, Urt. v. 3. Juli 2018 – 67 S 20/18, DWW 2018, 302, juris Tz. 19 m.w.N.; Beschl. v. 8. Februar 2022 – 67 S 298/21, WuM 2022, 226, beckonline Tz. 17; Bieber, in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl. 2020, § 573 Rz. 63 m.w.N.). Diese Wertung entspricht dem allgemeinen kündigungsrechtlichen Grundsatz, dass für den Gekündigten nicht erkenn- oder beherrschbare Pflichtverstöße seines Erfüllungsgehilfen das Gewicht der ihm zugerechneten und zum Gegenstand der Kündigung erhobenen Pflichtverletzung deutlich mindern (st. Rspr., vgl. nur BAG, Urt. v. 14. Februar 1978 – 1 AZR 76/76, NJW 1979, 236, juris Tz. 33, Urt. v. 29. November 1983 – 1 AZR 469/82, NZA 1984, 34; juris Tz. 147; Urt. v. 26. März 2015 – 2 AZR 517/14, NJW 2016, 103, beckonline Tz. 42; Kammer, Beschl. v. 8. Februar 2022, a.a.O.).
Davon ausgehend kommt den streitgegenständlichen Pflichtverletzungen das für den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung erforderliche Gewicht nicht zu. Einer abschließenden Entscheidung der Kammer, ob die Wirksamkeit der Kündigungen im Falle der Erweislichkeit der dem Sohn der Beklagten zur Last gelegten Straftaten nicht ohnehin den zusätzlichen Ausspruch einer an die Beklagten gerichteten – und hier erstmals in der Kündigungserklärung selbst ausgesprochenen – Abmahnung sowie ein weiteres Zuwiderhandeln der Beklagten oder ihres Sohnes erfordert hätte, um der Pflichtverletzung das für die Beendigung des Mietverhältnisses hinreichende Gewicht zu verleihen, bedarf es deshalb nicht (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 25. August 2020 – VIII ZR 59/20, NJW-RR 2020, 1275, beckonline Tz. 11 m.w.N.).
II.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen, auch zur Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin.