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Gewerberaummietvertrag – vorformulierte salvatorische Erhaltungsklausel

OLG Hamburg – Az.: 4 U 40/20 – Urteil vom 04.11.2020

In der Sache erkennt das Hanseatische Oberlandesgericht – 4. Zivilsenat – auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2020 für Recht:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 33, vom 07.05.2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Herausgabe eines gewerblichen Mietobjekts in Anspruch.

Im Jahr 1977 schloss die damalige Grundstückseigentümerin als Vermieterin mit der RE### Kommanditgesellschaft auf Aktien, Zweigniederlassung ….(im Folgenden: …), als Mieterin einen Mietvertrag über in der ……..in gelegene Räumlichkeiten zum Betrieb eines Lebensmittelmarkts. Im Jahr 2002 schlossen die ……als neue Grundstückseigentümerin und die ….einen neuen Mietvertrag (Anl. K 2/B 4). In der Präambel des neuen Mietvertrags heißt es:

„Der Mieter betreibt seit dem 12.03.1980 am o.a. Standort einen Lebensmittelsupermarkt mit einer Nutzfläche von 1.200 qm und einer Verkaufsfläche von 973 qm. Lage und Ausstattung des Mietobjektes sind dem Mieter bekannt.

Der Vermieter verfügt über die baurechtliche Möglichkeit, den SB-Markt auf 2.138 qm Nutzfläche (1.709 qm VK-Fläche) zu erweitern.

Die Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen für seinen Mietzweck nimmt der Mieter auf eigene Kosten vor.

Der bestehende Mietvertrag vom 22.06.1977 nebst Nachtrag vom 22.03.1979 und Nachtrag vom 30.04.1980 und Nachtrag Nr. 1 vom 25.05.1978 wird mit Beginn dieses Anschlussmietvertrages einvernehmlich aufgehoben.“

Zwischen 2003 und 2011 wurden insgesamt drei Nachträge zum Mietvertrag geschlossen. Am 13.11.2012 wurde die Klägerin als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 24.06.2019 erklärte die Klägerin die Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2019 unter Hinweis auf einen Verstoß gegen das Schriftformgebot des § 550 BGB. Zuvor hatten die Parteien umfangreiche Verhandlungen über eine Neufassung des Mietvertrags geführt. Kurz vor der Kündigung teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie nunmehr beabsichtige, einen Mietvertrag mit der …….abzuschließen. Die Beklagte wies die Kündigung mit Schreiben vom 27.09.2019 zurück und erklärte, dass sie die feste Vertragslaufzeit bis zum 31.12.2023 erfüllen und sodann gegebenenfalls von ihrem Optionsrecht Gebrauch machen werde.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es liege im Hinblick auf ein in Teil B Ziff. 14 lit. c des Mietvertrags vereinbartes Vorkaufsrecht für die Mieterin ein Verstoß gegen das Beurkundungserfordernis nach § 311b Abs. 1 BGB vor, was zur Nichtigkeit des Mietvertrags führe. Jedenfalls sei ein etwaiges Mietverhältnis wegen Verstoßes gegen die gesetzliche Schriftform durch die Kündigung vom 24.06.2019 beendet worden.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der Klägerin kein Anspruch auf Herausgabe des Mietobjekts zustehe.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen des Tatbestands, der Anträge der Parteien und der Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es sei davon überzeugt, dass die ursprünglichen Vertragsparteien den Mietvertrag vom 30.09.2020, den die Beklagte als Original im Verhandlungstermin vorgelegt habe, geschlossen hätten. Sowohl der Mietvertrag selbst als auch die Nachträge genügten der Schriftform. Nicht entschieden zu werden brauche, ob im Schreiben der Klägerin vom 16.11.2018 ein wirksames Angebot auf eine Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen zu sehen sei, welches die Beklagte angenommen habe. Denn eine hierauf gestützte Kündigung wegen Formmangels wäre rechtsmissbräuchlich, weil die Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen allein für die Klägerin vorteilhaft sei. Ob die Regelung im Teil B Ziff. 14 lit. c des Mietvertrages der notariellen Form bedurft habe, könne dahinstehen. Denn eine etwaige Teilnichtigkeit des Vertrags würde hier nicht zur Gesamtnichtigkeit führen.

Mit ihrer Berufung vertritt die Klägerin die Auffassung, dass ihr ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zustehe. Durch die Unterzeichnung der Urkunde gemäß Anlage K 2 sei kein Mietvertrag zustande gekommen. Sie trägt vor, die Unterschrift für die Vermieterin sei ausweislich der der Klägerin vorliegenden Kopie des Mietvertrags erst am 01.12.2002, also mehr als zwei Monate nach der Unterzeichnung des Vertrags durch die ……..erfolgt, und zwar durch die spätere Grundstückseigentümerin Frau …..Überdies sei davon auszugehen, dass die von der Beklagten vorgelegten Urkunden erst nachträglich und lange nach dem 30.09.2002 errichtet worden seien, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die ……KG nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei. Der von der R KG unterzeichnete Mietvertrag sei der ………..nicht zugegangen. Durch die vermeintlichen Nachträge sei kein Mietverhältnis zustande gekommen. Jedenfalls wäre ein Mietvertrag aufgrund des vereinbarten Vorkaufsrechts gem. § 311 b Abs. 1 BGB insgesamt nichtig. Auf die salvatorische Klausel in Teil B Ziff. 16 des Mietvertrags könne sich die Beklagte nicht berufen, da die Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam sei. Jedenfalls stehe der Klägerin ein Herausgabeanspruch aus § 546 BGB zu. Wenn ein wirksamer Mietvertrag abgeschlossen worden wäre oder dieser bestätigt worden sein sollte, wäre das Mietverhältnis durch die Kündigung der Klägerin vom 24.06.2019 beendet worden. Es lägen Verstöße gegen das Schriftformgebot des § 550 BGB vor. Dies ergebe sich zum einen aus der mit Schreiben vom 16.11.2018 (Anl. K 16) verlangten Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen, der die Beklagte zugestimmt habe. Diese Erhöhung sei, entgegen der Auffassung des Landgerichts, nicht einseitig für die Klägerin günstig gewesen. Ein weiterer Schriftformverstoß liege in einer formwidrigen Vereinbarung über eine Änderung des Umlageschlüssels für die Verteilung der Wasser- und Abwasserkosten.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, die Mietflächen in dem Objekt ……….in geräumtem Zustand an die Klägerin herauszugeben;

2. vorgerichtliche Kosten in Höhe von 3.552,90 Euro zzgl. Zinsen ab Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Zur Ergänzung des Vortrags der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige Berufung der Klägerin (§§ 517, 519, 520 ZPO) ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Der Klägerin steht kein Herausgabeanspruch gegen die Beklagte aus § 985 BGB zu.

a) Der Mietvertrag ist wirksam zustande gekommen.

aa) Auch das Berufungsgericht legt zugrunde, dass es sich bei der als Anlage B 4 eingereichten Originalurkunde, die eine Unterzeichnung durch beide Vertragsparteien am 30.09.2002 ausweist, um die maßgebliche Mietvertragsurkunde handelt.

Das Landgericht hat sich die Überzeugung gebildet, dass es sich beim dem als Original eingereichten Vertragsexemplar gemäß Anlage B 4 um den Originalmietvertrag handelt. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat die Echtheit der Unterschriften nicht bestritten.

Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung vorträgt und sich zum Beweis auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens bezieht, es sei davon auszugehen, dass die Unterzeichnung des Mietvertrags auf Vermieterseite erst nachträglich und Monate, wenn nicht Jahre, nach dem 30.09.2002 erfolgt sei, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die G KG nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei, ist sie hiermit – soweit es sich nicht ohnehin um einen unbeachtlichen Vortrag ins Blaue hinein handeln sollte – gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Denn diese – von der Beklagten bestrittene – Behauptung hat die Klägerin in erster Instanz nicht aufgestellt.

Zwar bestreitet die Klägerin in der Berufungsbegründung den Zugang der von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Vertragsurkunde gemäß Anlage B 4. Allerdings hat die Beklagte in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen, dass die RF KG das aus ihrem Haus stammende Vertragsexemplar zunächst unterzeichnet und es sodann an die ….übersandt habe, welche ein Exemplar des Mietvertrags gegengezeichnet an die ……..zurückgeleitet habe. Mithin hatte die ….ein von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Mietvertrag (zumindest zeitweise) in ihrem Besitz. Mit ihrem neuen Vortrag in zweiter Instanz, wonach der Zugang eines von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Mietvertrags mit Nichtwissen bestritten werde, ist die Klägerin gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Dass die Klägerin nach Erwerb des Grundstücks und Eintritt in die Vermieterstellung den Mietvertrag in den ihr von der Voreigentümerin zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht vorgefunden hat, widerlegt nicht den Vortrag der Beklagten, wonach die …..seinerzeit den von ihr gegengezeichneten Vertrag in ihrem Besitz hatte und sodann die beiderseits unterzeichnete Urkunde der ……..zugeleitet hat.

bb) Bei dem von der Klägerin eingereichten Mietvertrag vom 30.09./01.12.2002 (Anl. K 2) handelt es sich nach Ansicht des Senats nicht um die maßgebliche Vertragsgrundlage. Die Klägerin hat lediglich eine Kopie vorgelegt. Gegen den Umstand, dass diese Kopie die Originalurkunde abbildet, spricht, dass auf der ersten Seite der Name der Vermieterin „………“ handschriftlich durchgestrichen und stattdessen handschriftlich der Name der späteren Grundstückeigentümerin Frau U### eingefügt worden ist, die sodann auch (unter dem 01.12.2002) für die Vermieterin die Unterschrift geleistet hat. Dies ergibt schon deshalb wenig Sinn, weil die Frau ..erst viel später, nämlich am 31.07.2003 Eigentümerin des Grundstücks geworden ist. Zwar kann sie auch Vermieterin sein, ohne zugleich Eigentümerin zu sein. Naheliegend ist dies aber nicht, zumal die …..gegenüber der Beklagten noch nach dem 01.12.2002 als Vermieterin aufgetreten ist, wie sich aus ihrem Schreiben vom 03.04.2003 (Anl. B 6), mit dem sie der Beklagten das Übergabeprotokoll übersandt hat, ergibt.

Letztlich kann dies aber auch dahin stehen. Auch die Klägerin legt zugrunde, dass die Unterzeichnung des Mietvertrags auf Mieterseite am 30.09.2002 erfolgt ist. Wenn – wie in der Kopie gemäß Anlage K 2 ersichtlich – für die Vermieterin die Unterschrift erst am 01.12.2002 geleistet worden sein sollte, wäre der Mietvertrag gleichwohl nicht als unwirksam anzusehen.

Die verspätete Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Mietvertrags, die hier bei einer Zeitdauer von 2 Monaten anzunehmen wäre, gilt gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag. Diesen neuen Antrag der G### KG vom 01.12.2002 hätte die Beklagte zwar weder ausdrücklich noch konkludent angenommen, weil sie von einer Wirksamkeit des Mietvertrags ausging und ihr damit das Bewusstsein fehlte, für das Zustandekommen des Vertrags sei möglicherweise noch eine Erklärung erforderlich (vgl. dazu BGH NZM 2016, 356, Rn. 36). Auch eine stillschweigende Annahme gemäß § 151 S. 1 BGB des in der verspäteten Annahme liegenden Angebots scheidet aus, weil demjenigen, der sich als Partner eines bereits geschlossenen Vertrags wähnt, der Annahmewille fehlt (BGH, a.a.O., Rn. 38). Allerdings würde die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Ergebnis dennoch zu einem wirksamen Vertragsschluss führen. Zum einen kann ein solcher ausnahmsweise durch ein Schweigen auf die verspätete Annahme bewirkt worden sein. Zum anderen ist gegebenenfalls zu berücksichtigen, dass es dem Erstofferenten aufgrund der Umstände des Einzelfalls gemäß § 242 BGB verwehrt sein kann, sich auf die Verspätung der Annahme zu berufen. In Betracht zu ziehen ist dies etwa, wenn er aus dem Vertrag Vorteile gezogen sowie der Vertragspartner im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrags Dispositionen getroffen hat und – entsprechend dem § 149 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken – dem Erstofferenten die verzögerte Geltendmachung der verspäteten Annahme vorwerfbar ist (BGH, a.a.O., Rn. 39).

So verhält es sich hier. Es wäre treuwidrig, wenn sich die Klägerin bei dem im Zeitpunkt der Klagerhebung seit mehr als 16 Jahren durchgeführten Mietverhältnis, aus dem ihre Rechtsvorgängerinnen und sie selbst erhebliche Mieteinnahmen – die Miete beträgt mehr als EUR 300.000,00 jährlich – erzielt hat, darauf beruft, dass die Annahmeerklärung verspätet abgegeben worden sei. Unstreitig hat die …….anfangs Umbaumaßnahmen vorgenommen, und dass die R KG bzw. die Beklagte nachfolgend weitere Investitionen getätigt hat, um den Ansprüchen der Kunden an einen modernen großen Lebensmittelmarkt gerecht zu werden, versteht sich von selbst. Der Treuwidrigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin erst im Jahr 2012 gemäß § 566 BGB in das Mietverhältnis eingetreten ist. Denn die Klägerin hat das Mietverhältnis nach ihrem Eintritt bis zur Kündigung mehr als 6 Jahre fortgeführt und erhebliche Vorteile hieraus gezogen, obwohl ihr bei Erwerb des Grundstücks die Kopie des Mietvertrags vom 30.09./01.12.2002 (Anl. K 2) vorlag. Die verzögerte Geltendmachung der verspäteten Annahme ist mithin auch ihr selbst vorwerfbar.

cc) Auf die Frage, ob es durch die geschlossenen drei Nachträge zum Mietvertrag zu einer Bestätigung eines unwirksamen Mietvertrags gekommen wäre, kommt es mithin nicht an.

b) Der Mietvertrag ist nicht nach § 31 b BGB nichtig.

Teil B Ziffer 14 lit. c des Mietvertrags lautet: „Der Vermieter wird von ihm zur Vermietung kommende Mieträume und zum Verkauf stehende Grundstücke, die für den Mietzweck gemäß Teil A Ziffer 3 ganz oder teilweise geeignet sind, zuerst dem Mieter direkt anbieten“.

Nicht entschieden zu werden braucht, ob diese Klausel nach § 311b Abs. 1 BGB der notariellen Beurkundung bedurfte. Denn selbst eine Nichtigkeit der Klausel würde nicht zur Gesamtnichtigkeit des Mietvertrags führen. Dies wäre nämlich nach § 139 BGB nur dann der Fall, wenn nicht anzunehmen ist, dass der Mietvertrag auch ohne die in Teil B Ziffer 14 lit. c getroffene Vereinbarung geschlossen worden wäre. Grundsätzlich ist darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestands die Vertragspartei, die das teilnichtige Rechtsgeschäft aufrechterhalten will. Wenn aber eine salvatorische Erhaltungsklausel vereinbart worden ist, trifft die Darlegungs- und Beweislast diejenige Vertragspartei, die den ganzen Vertrag verwerfen will (BGH NZM 2005, 779 f.; NZM 2007, 730, Rn. 26; ZMR 2009, 273, 274; Bub/Treier-Landwehr, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. II, Rn. 2473). So verhält es sich im vorliegenden Fall.

Im Mietvertrag ist eine salvatorische Erhaltungsklausel vereinbart. In Teil B Ziffer 16 lit. a des Mietvertrags heißt es: „Der Bestand dieses Vertrages wird nicht durch die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen oder durch Regelungslücken berührt. Eine unwirksame Bestimmung oder eine Regelungslücke ist durch eine gültige Bestimmung zu ersetzen bzw. auszufüllen, die dem Sinn und Zweck der weggefallenen Bestimmung oder der übrigen Regelungen des Vertrages weitestgehend entspricht“.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese salvatorische Klausel nicht etwa unwirksam, weil die Bestimmung in Teil B Ziffer 16 lit. a des Mietvertrags sowohl eine Erhaltungsklausel als auch eine Ersetzungsklausel enthält.

Eine vorformulierte salvatorische Erhaltungsklausel – hier in Satz 1 – ist wirksam (BGH NJW 2015, 3436, Rn. 42; Staudinger-Wendland (2019), BGB, § 307, Rn. 58), auch bei Verwendung in gewerbemietrechtlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGH NJW 2005, 2225, 2226). Die vorformulierte salvatorische Ersetzungsklausel in Satz 2 dürfte zwar gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein (vgl. BGH NJW 2015, 1952, Rn. 45; Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 306, Rn. 15; Bub/Treier-Bub, a.a.O., Kap. II, Rn. 1829). Eine zulässige Erhaltungsklausel bleibt aber auch dann wirksam, wenn zusätzlich eine unzulässige Ersetzungsklausel vereinbart worden ist (Allg. Ansicht, vgl. nur BGH NJW 2005, 2225, Rn. 38; Staudinger-Roth, BGB (2020), § 139, Rn. 22; Erman-Arnold, BGB, 15. Aufl., § 139, Rn. 10; Bamberger/Roth-Wendtland, BGB, 3. Aufl., § 139, Rn. 7; Ulmer/Brandner/Hensen-Schmidt, AGB-Recht, 12. Aufl., § 306 BGB, Fn. 254 zu Rn. 39; Wolf/Lindacher/Pfeiffer-Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl., § 307, Rn. 348). Beide Klauseln sind nämlich inhaltlich trennbar und einzeln aus sich heraus verständlich. Denn die Klausel, wonach eine nichtige oder unwirksame Bestimmung durch eine solche zu ersetzen ist, die dem wirtschaftlich Gewollten in zulässiger Weise am nächsten kommt, kann ohne weiteres gestrichen werden, ohne dass darunter der Sinn der vorhergehenden Klausel leidet, nach der die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen erhalten bleibt, falls einzelne Bestimmungen des Vertrags ganz oder teilweise nichtig oder unwirksam sind. Bei Erhaltungsklauseln einerseits und Ersetzungsklauseln andererseits handelt es sich um zwei unterschiedliche Arten von salvatorischen Klauseln (BGH NJW 2005, 2225, 2226).

Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass der Mietvertrag nicht ohne die in Teil B Ziff. 14 lit. c vereinbarte Klausel geschlossen worden wäre. Gegen die Richtigkeit der Feststellung des Landgerichts, dass die Klägerin weder vorgetragen noch Beweis dafür angeboten hat, dass die Vertragsparteien den Mietvertrag nicht geschlossen hätten, wenn sie die Anbietungspflicht der Vermieterin, die möglicherweise ein Vorkaufsrecht für die Mieterin darstellt, nicht vereinbart hätten, wendet sich die Klägerin in der Berufung nicht. Damit hat die Klägerin die Vermutung für die Wirksamkeit der von der Vereinbarung eines Vorkaufsrechts nicht betroffenen mietvertraglichen Regelungen nicht widerlegen können.

2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus § 546 BGB auf Herausgabe des Grundstücks zu. Der bis zum Jahr 2023 fest abgeschlossene Mietvertrag ist durch die auf einen Verstoß gegen das Schriftformgebot des § 550 BGB gestützte Kündigung vom 24.06.2019 nicht beendet worden.

a) Die Klägerin wendet sich in der Berufung gegen die rechtliche Bewertung des Landgerichts zur Einhaltung der Schriftform mit der Begründung, dass die Parteien formlos eine Änderung der Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart hätten, was dem Schriftformgebot widerspreche.

Mit Schreiben vom 16.11.2018 (K 16) teilte die Klägerin im Zusammenhang mit einer Erhöhung der Nettomiete aufgrund einer Anpassung der Indexmiete mit, dass die Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen (wie bisher) insgesamt EUR 1.751,72 netto betragen. Die Beklagte leistete ab Januar 2019 die Erhöhungsbeträge.

Nach Auffassung des Senats liegt aufgrund der missverständlichen Angaben der Klägerin im Schreiben vom 16.11.2018, in dem es um eine Erhöhung der Nettomiete aufgrund einer Indexveränderung ging („Differenz 0,00“ zwischen den bisherigen und den künftigen Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen), kein Verlangen im Hinblick auf eine Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen vor.

Selbst wenn man dies mit der Klägerin anders sehen würde, und die Änderung der in Teil A Ziff. 4 lit. c des Mietvertrags vereinbarten Nebenkostenvorauszahlung von EUR 1.700,00 ohne eine vertraglich vereinbarte Erhöhungsmöglichkeit für den Vermieter nicht als einseitiges Anpassungsrecht des Vermieters (vgl. dazu Bub/Treier-Schultz, a.a.O., Kap. III, Rn. 1689), das nicht dem Schriftformerfordernis unterliegen würde (vgl. BGH NZM 2014, 308), sondern als eine formbedürftige Vereinbarung der Parteien bewerten würde, würde dies nicht dazu führen, dass das Vertragsverhältnis wegen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis als auf unbestimmte Zeit geschlossen anzusehen ist. Dahin stehen kann, ob die Beklagte ein etwaiges Angebot der Klägerin auf Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen konkludent angenommen hat.

Denn jedenfalls wäre es – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – treuwidrig, wenn sich die Klägerin insoweit auf einen Verstoß gegen die Schriftform beruft. Ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrags zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es nämlich gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Partei sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Abrede, die lediglich ihr vorteilhaft ist, allein deshalb, weil sie nicht die schriftliche Form wahrt, zum Anlass nimmt, sich von einem ihr inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen (BGH NJW 2017, 3772, Rn. 41). Eine einseitige Begünstigung liegt vor, wenn bei realistischer Betrachtung die Vertragsänderung im wirtschaftlichen Ergebnis allein einer Vertragspartei zugutekommt (BGH NJW 2017, 3772, Rn. 47; Bub/Treier-Landwehr, a.a.O., Kap. II, Rn. 2565). So verhält es sich hier. Die Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen ist allein für die Klägerin vorteilhaft, weil sie einen höheren Sicherungsbetrag, mit dem die Beklagte bis zur Betriebskostenabrechnung in Vorlage treten muss, erhält. Die von der Klägerin in der Berufungsbegründung angestellte Überlegung, die Erhöhung der Nebenkosten sei nicht einseitig vorteilhaft für sie, weil sie einen höheren Zahlungsrückstand hinnehmen müsse, bevor sie nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB wegen Zahlungsverzugs kündigen könne, überzeugt nicht. Maßgeblich ist nämlich – wie ausgeführt – das wirtschaftliche Ergebnis der Vertragsänderung und nicht die Frage, unter welchen Voraussetzungen die kündigende Vertragspartei eine Kündigung wegen eines etwaigen Zahlungsverzugs aussprechen kann. Demgemäß stellt sich eine Mieterhöhung als allein für den Vermieter vorteilhaft dar mit der Folge, dass eine von ihm erklärte Kündigung wegen eines Mangels der Schriftform der Mieterhöhung rechtsmissbräuchlich ist (OLG München NJW-RR 1996, 654, 655; OLG Koblenz NZM 2002, 293; OLG Karlsruhe NZM 2003, 513, 517; Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 14. Aufl., § 550, Rn. 66; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann-Lindner-Figura, Geschäftsraummiete, 4. Aufl., Kap. 6, Rn. 103). Auch der Bundesgerichtshof hat eine Kündigung für treuwidrig erachtet, die gestützt war auf eine formwidrige Änderung einer Wertsicherungsklausel für die Miethöhe, die sich ausschließlich zugunsten der Vermieterin auswirkte (BGH NJW 2017, 3772, Rn. 46 f.). Der Bundesgerichtshof hat dabei allein auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise abgestellt (BGH, a.a.O., Rn. 47) und mit gutem Grund nicht etwa erwogen, ob eine frühere Möglichkeit zur Mieterhöhung für den Vermieter etwa auch nachteilig sein könnte, weil er – im Sinne der Argumentation der Klägerin – dann einen höheren Zahlungsrückstand hinnehmen müsse, bevor er eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs aussprechen könne. Es wäre dem Senat auch neu, dass Vermieter von ihnen verlangte Mieterhöhungen als für sie nicht nur vorteilhaft ansehen.

Der Grundsatz, dass sich ein Vermieter nicht auf die fehlende Schriftform einer Mieterhöhung berufen kann, gilt freilich nicht nur für eine Erhöhung der Nettomiete, sondern – wie hier – auch für eine Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen, da diese Teil der Miete sind.

b) Der Mietvertrag verstößt auch nicht aufgrund einer formwidrigen Vereinbarung über eine Änderung des Umlageschlüssels für die Verteilung der Wasser- und Abwasserkosten gegen die Schriftform.

Teil B Ziffer 5 lit. b Satz 2 des Mietvertrags lautet: „Die Abrechnung über den Wasserverbrauch sowie Entwässerung erfolgt über die erforderlichen bauseits zu setzenden Zähler soweit möglich unmittelbar mit dem Versorgungsunternehmen, andernfalls wird der Vermieter den umlagefähigen Verbrauch über Zwischenzähler mit dem Mieter abrechnen“.

Die Klägerin trägt vor, dass entgegen dieser Vereinbarung in den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2016 und 2017 die Erfassung der Betriebskosten für Wasser und Entwässerung nicht über bauseits zu setzende Zähler direkt mit dem Versorgungsunternehmen und auch nicht über die Messung des umlagefähigen Verbrauchs über Zwischenzähler erfolgt sei, sondern nach dem Durchschnitt des vorangegangenen Abrechnungszeitraums. Sie behauptet, die Parteien hätten sich auf diese Änderung geeinigt.

Der Richtigkeit dieser von der Beklagten bestrittenen Behauptung der Klägerin war nicht nachzugehen. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob die Behauptung hinreichend substantiiert und einer Beweiserhebung durch Zeugenbeweis zugänglich ist. Denn auch bei Unterstellung einer derartigen mündlich getroffenen Abrede wäre die Klägerin nicht berechtigt, das Mietverhältnis nach § 550 BGB zu kündigen.

Zum einen würde es sich hierbei nämlich nicht um eine wesentliche dem Formzwang des § 550 BGB unterliegende Vertragsänderung handeln. Zwar kann auch die Änderung einer Nebenkostenabrede formbedürftig sein. Dies ist in der Rechtsprechung beispielsweise angenommen worden bei der Einführung einer an die Verpächterin zu entrichtenden Nebenkostenpauschale oder -vorauszahlung an Stelle der ursprünglich vereinbarten Direktabrechnung mit den Versorgungsunternehmen, wodurch die Zahlungspflichten der Pächterin gegenüber der Verpächterin erheblich erweitert wurden (BGH NJW 2014, 52, Rn. 22), oder bei einem Wechsel von einem im Mietvertrag vereinbarten festen Betriebskostenzuschuss zu einer konkreten Berechnung der angefallenen Betriebskosten unter Berücksichtigung der Mietfläche, was zu erheblichen Auswirkungen auf die Höhe der Gesamtmiete führen konnte (OLG Hamm ZMR 2010, 441). Ein solcher Fall einer Änderung von erheblichem Gewicht liegt hier jedoch nicht vor. Die behauptete mündliche Änderung der Vereinbarung in Teil B Ziffer 5 lit. b Satz 2 des Mietvertrags, wonach statt der bisherigen Abrechnung des umlagefähigen Verbrauchs von Wasser und Abwasser nunmehr nach dem Durchschnitt des vorangegangenen Abrechnungszeitraums abgerechnet werden sollte, stellt sich nicht als wesentlich dar, weil sich hieraus keine erheblichen Änderungen der Höhe der Bruttomiete ergeben konnten. Sofern künftig nach dem Durchschnitt des vorangegangenen Abrechnungszeitraums abgerechnet werden sollte, wäre es hierdurch nicht zu einer deutlichen Veränderung der Zahlungsverpflichtung der Beklagten gekommen; vielmehr wäre diese weitgehend gleich geblieben. Von der Schriftform ausgenommen sind solche Abreden, die für den Inhalt des Vertrags, auf den die Parteien sich geeinigt haben, von nur nebensächlicher Bedeutung sind (BGH NZM 2018, 515, Rn. 17). So verhält es sich bei der von der Klägerin behaupteten Vertragsänderung über die Abrechnung hinsichtlich des Verbrauchs von Wasser und Abwasser.

Zum anderen ist die Klägerin dem Vortrag der Beklagten, wonach bis zum Jahr 2015 vertragsgerecht abgerechnet worden sei und die Klägerin mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2018 vom 23.04.2019 wieder zur vertragsgemäßen Abrechnung zurückgekehrt sei, nicht entgegen getreten. Mithin kann zugrunde gelegt werden, dass im Zeitpunkt der Kündigungserklärung am 24.06.2019 über die Wasser- und Abwasserkosten wieder nach der vertraglichen Regelung abgerechnet wurde. Nicht schriftformkonforme Vereinbarungen über wesentliche Punkte des Mietvertrags, die sich bereits erledigt haben und dementsprechend keine rechtliche Bedeutung mehr haben, können die Schriftform jedoch nicht mehr beeinträchtigen (Staudinger-Emmerich (2018), BGB, § 550, Rn. 26a; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann-Lindner-Figura, a.a.O., Kap. 6, Rn. 33; Senat, 4 U 90/15, Urt. v. 23.12.2015; 4 U 38/18, Urt. v. 18.10.2018).

Nach alledem bleibt die Berufung der Klägerin ohne Erfolg.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Anlass, die Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, bestand nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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