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Eigenmächtige Baumfällung am Gemeinschaftseigentum: Wer zahlt bei Wiederanpflanzung?

Ein Miteigentümer verantwortete die eigenmächtige Baumfällung am Gemeinschaftseigentum einer Doppelhaus-WEG. Die Klägerin erstritt zwar eine teure Ersatzpflanzung, muss aber nun 70 Prozent der Kosten selbst schultern.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 318 S 39/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Hamburg
  • Datum: 14.03.2025
  • Aktenzeichen: 318 S 39/23
  • Verfahren: Berufung
  • Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Eigentumsstörung

  • Das Problem: Miteigentümer einer Wohnanlage kappten eine gemeinschaftliche Scheinzypresse ohne vorherige Zustimmung der Gemeinschaft. Die Klägerin forderte die vollständige Wiederanpflanzung der Scheinzypresse.
  • Die Rechtsfrage: Müssen Miteigentümer einen unberechtigt entfernten Baum auf eigene Kosten ersetzen? Wie wirkt sich der bereits schlechte Zustand des alten Baumes auf die Kostenteilung aus?
  • Die Antwort: Ja. Die eigenmächtige Kappung war eine unzulässige Veränderung am Gemeinschaftseigentum. Die Miteigentümer müssen den Baum durch eine neue, mindestens 2 Meter hohe Scheinzypresse ersetzen. Wegen des schlechten Zustands des ursprünglichen Baumes trägt die Klägerin jedoch 70 Prozent der Kosten.
  • Die Bedeutung: Jede wesentliche Veränderung an gemeinschaftlichen Gartenbereichen gilt als Bauliche Veränderung und erfordert eine Legitimation durch die Gemeinschaft. Führt die Wiederherstellung zu einer Besserstellung, muss der Geschädigte sich an den Kosten beteiligen (Grundsatz „neu für alt“).

Eigenmächtige Baumfällung: Wer zahlt für die Wiederanpflanzung am Gemeinschaftseigentum?

Ein Baum, der über Jahrzehnte den Eingangsbereich eines Hauses prägte, verschwindet über Nacht – oder zumindest sein prächtiges Grün. Zurück bleibt nur ein Stumpf.

Der Miteigentümer blickt auf den massiven Zypressenstumpf im Vorgarten, neben dem eine orange Kettensäge liegt.
Eigenmächtige Baumfällung am Gemeinschaftseigentum führte zum Rechtsstreit vor dem LG Hamburg. | Symbolbild: KI

Die Verantwortlichen: die Nachbarn, Miteigentümer der Doppelhaushälfte, die ohne Zustimmung zur Säge griffen. Der Streit, der daraufhin entbrannte, landete vor dem Landgericht Hamburg, das am 14. März 2025 unter dem Aktenzeichen 318 S 39/23 eine Entscheidung traf, die für viele Wohnungseigentümer von großer Bedeutung ist. Das Gericht klärte nicht nur die Frage, ob der Baum ersetzt werden muss, sondern auch, wer die Kosten für die Neuanpflanzung trägt, wenn das ursprüngliche Gewächs bereits Mängel aufwies.

Was war genau passiert?

Die Parteien des Rechtsstreits bilden eine kleine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), bestehend aus den beiden Hälften eines Doppelhauses. Im gemeinschaftlichen Bereich der Einfahrt, direkt neben der Zuwegung, stand seit den 1990er-Jahren eine Scheinzypresse. Fotografien, die später dem Gericht vorlagen, zeigten, dass der Baum in die Jahre gekommen war: Einige seiner Zweige waren braun und abgestorben.

Ohne einen formellen Beschluss der Eigentümergemeinschaft abzuwarten, entschieden sich die Eigentümer der einen Haushälfte, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie kappten und entasteten die Scheinzypresse radikal, sodass nur noch ein Stumpf mit Wurzelwerk übrigblieb.

Die Eigentümerin der anderen Haushälfte war damit nicht einverstanden. Sie sah in der eigenmächtigen Aktion eine unzulässige Veränderung des Gemeinschaftseigentums und eine Zerstörung des gewohnten Erscheinungsbildes des Eingangsbereichs. Sie zog vor Gericht und verlangte die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Konkret forderte sie, die Nachbarn sollten auf ihre Kosten den verbliebenen Stumpf samt Wurzelwerk entfernen und eine neue Scheinzypresse von mindestens zwei Metern Höhe fachgerecht anpflanzen.

Die beklagten Nachbarn verteidigten ihr Vorgehen. Ihrer Ansicht nach stand der Baum auf einer Fläche, für die sie ein Sondernutzungsrecht besäßen, was ihnen die alleinige Entscheidungsgewalt gebe. Zudem argumentierten sie, die Scheinzypresse sei ohnehin „Abgängig„, also unrettbar geschädigt gewesen. Ihr Eingriff sei daher notwendig und gerechtfertigt gewesen.

Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek hatte die Klage zunächst abgewiesen. Doch die Klägerin ließ nicht locker und legte Berufung beim Landgericht ein.

Welche Gesetze entscheiden über das Schicksal eines Baumes in einer WEG?

Im Zentrum dieses Nachbarschaftsstreits stehen grundlegende Prinzipien des Wohnungseigentumsrechts. Das Gericht musste klären, wem der Baum rechtlich „gehörte“ und wer über sein Schicksal entscheiden durfte.

Ein zentraler Begriff ist dabei das Gemeinschaftseigentum. Dazu gehören alle Teile des Grundstücks und des Gebäudes, die nicht ausdrücklich zum Sondereigentum (also zur alleinigen Nutzung eines Eigentümers) erklärt wurden. Ein Baum, der auf einer gemeinschaftlichen Fläche wie einer Einfahrt steht, ist typischerweise Gemeinschaftseigentum. Über wesentliche Veränderungen daran müssen alle Eigentümer gemeinsam entscheiden.

Hier kommt die Unterscheidung zwischen Instandhaltung und baulicher Veränderung ins Spiel. Ein leichter Pflegeschnitt an einem Baum wäre wohl eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Instandhaltung. Das radikale Kappen oder Fällen eines Baumes, das sein Erscheinungsbild und seine Funktion (z. B. als Sichtschutz) grundlegend verändert, ist jedoch eine bauliche Veränderung. Solche Maßnahmen erfordern in der Regel einen zustimmenden Beschluss aller Eigentümer.

Wird das Gemeinschaftseigentum ohne eine solche Zustimmung beschädigt, hat die Eigentümergemeinschaft einen Anspruch auf Wiederherstellung. Dieser ergibt sich aus dem Beseitigungsanspruch bei Eigentumsstörungen (§ 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) in Verbindung mit den Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander (§ 14 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG)). Man spricht hier von Naturalrestitution: Der ursprüngliche Zustand soll so weit wie möglich wiederhergestellt werden – im konkreten Fall durch die Anpflanzung eines neuen, vergleichbaren Baumes.

Eine besondere juristische Feinheit brachte die Vorschädigung des Baumes ins Spiel. Hier griff das Gericht auf einen Grundsatz aus dem Schadensersatzrecht zurück, den der Bundesgerichtshof auch auf den Beseitigungsanspruch anwendet: den Abzug „neu für alt“. Er besagt: Wenn die Wiederherstellung zu einer Wertverbesserung führt – wenn also etwas Neues und Besseres an die Stelle einer alten, mangelhaften Sache tritt –, muss sich der Geschädigte an den Kosten beteiligen. Er soll durch den Vorfall nicht bessergestellt werden, als er es zuvor war.

Warum das Gericht auf Wiederanpflanzung entschied – und die Klägerin 70 % zahlen lässt

Das Landgericht Hamburg änderte das Urteil der Vorinstanz grundlegend und gab der Klägerin im Ergebnis recht – allerdings mit einer entscheidenden Einschränkung bei den Kosten. Die Richter analysierten die Argumente beider Seiten Schritt für Schritt.

War die Kappung des Baumes eine unerlaubte bauliche Veränderung?

Ja, urteilte das Gericht eindeutig. Der massive Rückschnitt, der die Sichtschutzfunktion des Baumes beseitigte und den optischen Gesamteindruck der Einfahrt erheblich veränderte, ging weit über eine bloße Pflegemaßnahme hinaus. Es handelte sich um eine bauliche Veränderung, die der Zustimmung der Eigentümergemeinschaft bedurft hätte. Da ein solcher Beschluss fehlte, war die Handlung der Nachbarn rechtswidrig. Auch eine vage, vorprozessuale Äußerung der Klägerseite, man „neige“ einer Abastung zu, wertete das Gericht nicht als rechtlich bindende Zustimmung.

Berechtigte das Sondernutzungsrecht zum Fällen des Baumes?

Nein. Die Nachbarn argumentierten, der Baum stünde auf ihrer Sondernutzungsfläche. Ein Sondernutzungsrecht räumt einem Eigentümer zwar das alleinige Gebrauchsrecht an einem Teil des Gemeinschaftseigentums ein, etwa an einer bestimmten Gartenfläche. Es verwandelt diese Fläche aber nicht in sein Privateigentum. Das Landgericht stellte klar, dass ein Sondernutzungsrecht nicht dazu berechtigt, eigenmächtig bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum vorzunehmen. Ob der Baum nun formal auf der Sondernutzungsfläche stand oder nicht, war für die Entscheidung daher unerheblich.

War der Baum bereits so kaputt, dass die Fällung gerechtfertigt war?

Dies war ein Kernargument der beklagten Nachbarn. Sie behaupteten, die Scheinzypresse sei ohnehin unrettbar verloren gewesen. Wer eine solche Behauptung aufstellt, muss sie im Zivilprozess auch beweisen. Dies gelang den Nachbarn jedoch nicht. Zwar zeigten die Fotos unbestreitbar braune, abgestorbene Zweige. Eine vom Gericht als sachverständige Zeugin vernommene Gartenfachberaterin konnte aber nicht bestätigen, dass der Baum vollständig tot war. Sie erklärte, dass Scheinzypressen oft über längere Zeit sukzessive absterben können. Die bloße Existenz trockener Stellen war für das Gericht kein ausreichender Beweis dafür, dass der Baum nicht mehr zu retten war. Somit entfiel die Rechtfertigung für das eigenmächtige Handeln.

Warum muss die Klägerin trotz ihres Sieges 70 % der Kosten tragen?

Nachdem das Gericht den Anspruch auf Wiederanpflanzung grundsätzlich bejaht hatte, kam der entscheidende Punkt: die Kostenverteilung. Hier wandten die Richter den Grundsatz des Abzugs „neu für alt“ an. Die Klägerin forderte eine neue, gesunde Scheinzypresse von mindestens zwei Metern Höhe. Das Gericht befand, dass die Gemeinschaft damit einen deutlich besseren Zustand erhalten würde, als er vor der Fällung bestand. Der alte Baum war nachweislich durch trockene Stellen geschädigt.

Um diesen Vorteil auszugleichen, muss sich die Klägerin an den Kosten für die Ersatzpflanzung beteiligen. Die Höhe dieses Anteils legte das Gericht im Rahmen seiner richterlichen Schätzung nach § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) fest. Es berücksichtigte die sichtbaren Schäden auf den Fotos und die Aussage der Expertin über die nicht regenerierenden braunen Partien. Das Ergebnis: Die Gemeinschaft erhält einen deutlichen Mehrwert, weshalb das Gericht eine Kostenbeteiligung der Klägerin von 70 % für angemessen hielt. Die eigenmächtig handelnden Nachbarn müssen die restlichen 30 % sowie die Kosten für die Entfernung des alten Stumpfes tragen.

Was bedeutet das Urteil für Sie als Wohnungseigentümer?

Das Urteil des Landgerichts Hamburg verdeutlicht die strengen Regeln für Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum und die finanziellen Konsequenzen von Alleingängen. Gleichzeitig zeigt es, dass ein Anspruch auf Wiederherstellung nicht immer bedeutet, dass der Verursacher alle Kosten allein tragen muss.

Checkliste: So vermeiden Sie Konflikte bei Eingriffen am Gemeinschaftseigentum

  • Klären Sie die Eigentumsverhältnisse: Gehört der Baum, die Hecke oder die Mauer zum Gemeinschaftseigentum? Im Zweifel ist dies immer anzunehmen, auch wenn sich das Objekt auf Ihrer Sondernutzungsfläche befindet.
  • Unterscheiden Sie Pflege von Veränderung: Ein Formschnitt ist in der Regel unproblematisch. Sobald Sie aber die Substanz, die Funktion oder das Erscheinungsbild eines Objekts grundlegend verändern wollen, handelt es sich um eine bauliche Veränderung.
  • Holen Sie immer einen Beschluss ein: Für jede bauliche Veränderung benötigen Sie einen formalen Beschluss der Eigentümerversammlung. Eine mündliche Absprache oder eine vage E-Mail reichen nicht aus und bieten keine rechtliche Sicherheit.
  • Dokumentieren Sie den Zustand: Machen Sie vor geplanten Maßnahmen Fotos vom Ist-Zustand. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie argumentieren wollen, dass eine Sache bereits beschädigt war.
  • Seien Sie sich des Kostenrisikos „neu für alt“ bewusst: Wenn Sie die Wiederherstellung einer alten oder beschädigten Sache verlangen, müssen Sie damit rechnen, sich an den Kosten für einen neuwertigen Ersatz beteiligen zu müssen. Dies gilt auch, wenn Sie im Recht sind.
  • Kommunizieren Sie schriftlich und unmissverständlich: Vermeiden Sie vage Formulierungen. Wenn Sie zustimmen oder ablehnen, tun Sie dies klar und nachvollziehbar, am besten im Rahmen der offiziellen WEG-Kommunikation.

Die Urteilslogik

Wer Gemeinschaftseigentum eigenmächtig zerstört oder verändert, muss den ursprünglichen Zustand wiederherstellen, wobei die Verursacher dennoch von einem Vorteilsausgleich profitieren, wenn der Ersatz hochwertiger ist als das Original.

  • Radikale Eingriffe erfordern Beschluss: Eine Maßnahme, welche die Funktion oder das Erscheinungsbild des Gemeinschaftseigentums substanziell verändert (wie die Kappung eines Baumes), gilt als bauliche Veränderung und setzt die vorherige, formelle Zustimmung aller Miteigentümer voraus.
  • Sondernutzungsrechte schränken Veränderung ein: Das Recht, eine Fläche exklusiv zu nutzen, entbindet den Miteigentümer nicht von der Pflicht, die Zustimmung der Gemeinschaft einzuholen, bevor er Veränderungen am dort befindlichen Gemeinschaftseigentum vornimmt.
  • Vorteilsausgleich bei Naturalrestitution: Verlangt der Geschädigte die Wiederherstellung des Zustands, muss er sich die Wertsteigerung anrechnen lassen (Abzug „neu für alt“), falls der neu geschaffene Gegenstand den alten, mangelhaften Gegenstand qualitativ übertrifft.

Die Durchsetzung des Wiederherstellungsanspruchs setzt voraus, dass der Verursacher die Rechtfertigung seines Handelns beweist, während die Kostenverteilung stets dem Grundsatz des Vorteilsausgleichs folgt.


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Experten Kommentar

Es ist leicht, sich auf den Standpunkt zu stellen, dass man im Recht ist, wenn ein Nachbar eigenmächtig das Gemeinschaftseigentum zerstört. Dieses Urteil zeigt aber klar die finanzielle rote Linie auf: Der Anspruch auf Wiederherstellung alter Bäume ist in der WEG teuer. Weil die ursprüngliche Scheinzypresse bereits Mängel aufwies, griff der Grundsatz „neu für alt“ konsequent. Wer Ersatz für einen in die Jahre gekommenen Gegenstand fordert, muss damit rechnen, den Großteil der Kosten (hier 70 %) selbst zu tragen, weil die Gemeinschaft sonst durch den Schaden besser dastünde als zuvor.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Ist das eigenmächtige Fällen eines Baumes im Gemeinschaftseigentum immer eine unzulässige bauliche Veränderung?

Ja, das eigenmächtige Fällen oder radikale Kappen eines Baumes auf Gemeinschaftseigentum stellt in fast allen Fällen eine unzulässige bauliche Veränderung dar. Entscheidend ist die juristische Abgrenzung zwischen erlaubter Instandhaltung und zustimmungspflichtigen Eingriffen. Sobald die Maßnahme die Substanz beseitigt oder die Funktion des Baumes grundlegend verändert, ist die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zwingend erforderlich.

Ein einfacher Formschnitt oder das Entfernen notwendiger, trockener Äste gilt noch als ordnungsgemäße Instandhaltung. Solche Maßnahmen dienen der Pflege und sind in der Regel nicht zustimmungspflichtig. Erfolgt jedoch ein Eingriff, der die gewohnte Funktion des Baumes, etwa als Sichtschutz oder zur Gestaltung des Erscheinungsbildes, grundlegend beseitigt, wird dies als bauliche Veränderung gewertet. Hierfür benötigen die Miteigentümer einen formellen Beschluss. Gerichte erkennen eine Verharmlosung als bloße Pflegemaßnahme nicht an, wenn der Eingriff das Erscheinungsbild massiv verändert.

Handelt ein Eigentümer ohne diesen Beschluss, ist die Maßnahme rechtswidrig. Die Rechtsfolge ist ein Anspruch auf Naturalrestitution. Dies bedeutet, dass der ursprüngliche Zustand so weit wie möglich wiederhergestellt werden muss. Wurde der Baum illegal gefällt, kann die Gemeinschaft vom Verursacher die Entfernung des Stumpfes und die Anpflanzung eines neuen, vergleichbaren Baumes auf dessen Kosten verlangen. Auch wenn der Baum schon braune Stellen aufwies, rechtfertigt dies nicht den Alleingang.

Dokumentieren Sie sofort detailliert den veränderten Bereich mit Fotos und fordern Sie von der Hausverwaltung schriftlich die Protokolle der letzten Versammlungen an.


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Habe ich Anspruch auf eine Ersatzpflanzung, wenn Nachbarn einen Baum am Gemeinschaftseigentum beschädigt haben?

Ja, Sie haben grundsätzlich einen Anspruch auf eine physische Ersatzpflanzung. Dieses Wiederherstellungsrecht nennt sich Naturalrestitution. Die Rechtsgrundlage dafür bildet der Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit den Pflichten nach § 14 WEG. Dieser Anspruch zielt darauf ab, den Zustand, der vor der Beschädigung oder Fällung bestand, so weit wie möglich wiederherzustellen. Die Kosten muss derjenige tragen, der das Gemeinschaftseigentum eigenmächtig beschädigt hat.

Der Anspruch ist eng mit der Natur des Gemeinschaftseigentums verknüpft. Sobald ein Nachbar ohne formalen Beschluss in die Substanz des Eigentums eingreift, verletzt er die Rechte aller Miteigentümer. Die Naturalrestitution dient dazu, unzulässige bauliche Veränderungen rückgängig zu machen, die den optischen und funktionalen Gesamteindruck beeinträchtigen. Sie fordern daher nicht bloß Schadensersatz in Geld, sondern die tatsächliche Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durch eine Ersatzpflanzung.

Um den Anspruch durchzusetzen, müssen Sie diesen präzise formulieren. Verlangen Sie die fachgerechte Anpflanzung eines neuen Baumes der gleichen Art und einer ausreichenden Mindesthöhe. Nehmen wir an, es wurde eine Scheinzypresse entfernt. Fordern Sie dann konkret die Pflanzung einer neuen Scheinzypresse, die mindestens zwei Meter hoch ist, um die Funktion wiederherzustellen. Da der Baum Gemeinschaftseigentum ist, verlangen Sie die Wiederherstellung im Namen der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft.

Formulieren Sie einen formalen Antrag auf Naturalrestitution und benennen Sie präzise die Art und die geforderte Mindesthöhe des Ersatzbaumes.


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Wer trägt die Kosten für die Wiederanpflanzung und wann muss ich mich als Kläger an den Kosten beteiligen?

Die Kosten für die Wiederanpflanzung trägt grundsätzlich der Verursacher des Schadens, der die unzulässige bauliche Veränderung vorgenommen hat. Jedoch müssen Sie als Kläger häufig einen erheblichen Teil der Kosten selbst tragen, selbst wenn Sie den Rechtsstreit gewinnen. Dieser Kostenabzug greift, wenn die Ersatzpflanzung zu einer deutlichen Wertverbesserung führt. Das Gericht wendet hier den Grundsatz „neu für alt“ an.

Der Verursacher muss gemäß dem Grundsatz der Naturalrestitution den ursprünglichen Zustand wiederherstellen. Wenn Sie jedoch einen neuen, gesunden Baum anstelle eines älteren, bereits geschädigten Baumes erhalten, profitieren Sie unverhältnismäßig. Das Zivilrecht erlaubt dem Richter, diesen Mehrwert durch den Abzug neu für alt auszugleichen. Er stellt sicher, dass der Geschädigte durch den Schadensfall finanziell nicht bessergestellt wird, als er es vor dem Schaden war.

Im Fall der gefällten Scheinzypresse in Hamburg schätzte das Gericht die Vorschäden am Originalbaum auf 70 Prozent. Die eigenmächtig handelnden Nachbarn mussten daher lediglich die Kosten für die Entfernung des Stumpfes und 30 Prozent der Neuanpflanzung übernehmen. Die Höhe des Abzugs legt das Gericht nach eigenem Ermessen fest, gestützt auf § 287 ZPO. Dies erfolgt meist basierend auf Fotos und Expertengutachten über die sichtbaren Vorschäden des ursprünglichen Baumes.

Um den Eigenkostenanteil zu begrenzen, sollten Sie frühzeitig einen unabhängigen Gutachter beauftragen, der den genauen Wertverlust des ursprünglichen Baumes präzise beziffert.


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Kann ich die Baumfällung rechtfertigen, wenn der alte Baum bereits Mängel oder braune Stellen aufwies?

Nein, die bloße Existenz von Mängeln oder braunen Stellen reicht nicht aus, um eine eigenmächtige Baumfällung juristisch zu rechtfertigen. Wer ohne vorherigen WEG-Beschluss handelt, muss im Zivilprozess beweisen, dass das Gewächs entweder abgängig war – also unrettbar verloren – oder eine akute Gefahr darstellte. Die Beweislast für diese Notwendigkeit liegt vollständig bei der Person, die den Baum entfernt hat.

Gerichte stellen sehr hohe Anforderungen an den Beweis der Notfällung. Die Tatsache, dass Teile des Baumes trocken oder abgestorben sind, genügt nicht, um eine vollständige Zerstörung zu belegen. Scheinzypressen etwa sterben oft sukzessive ab, ohne dass sofort eine Notlage eintritt oder eine Rettung unmöglich wird. Solange ein Baum theoretisch noch gerettet werden könnte oder nicht akut umsturzgefährdet ist, gilt die Fällung als unzulässiger Eingriff in das Gemeinschaftseigentum.

Nur eine eindeutige Aussage eines Sachverständigen, die die vollständige Zerstörung des Baumes bestätigt, kann als stichhaltige Rechtfertigung dienen. Das Landgericht Hamburg stellte im Fall der gefällten Scheinzypresse klar, dass Fotos von trockenen Stellen oder Mängeln nicht ausreichen, um die Notwendigkeit der Fällung nachträglich zu beweisen. Der eigenmächtige Handelnde riskiert andernfalls hohe Kosten für eine Ersatzpflanzung, selbst wenn der Baum bereits Vorschäden aufwies.

Wenn Sie glauben, dass ein Baum akut entfernt werden muss, beauftragen Sie unbedingt vor der Baumfällung einen externen Gutachter, der die unmittelbare Unrettbarkeit schriftlich bestätigt.


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Darf ich Bäume auf meiner Sondernutzungsfläche fällen oder verändern, ohne die WEG zu fragen?

Nein, das dürfen Sie in der Regel nicht. Ein häufiger Irrtum besteht darin, das Sondernutzungsrecht mit dem Sondereigentum gleichzusetzen. Obwohl Ihnen das alleinige Nutzungsrecht an der Fläche zusteht, bleiben der Grund und der darauf stehende Baum rechtlich gesehen Gemeinschaftseigentum. Das bedeutet, Eingriffe in die Substanz des Gemeinschaftseigentums sind auch auf Ihrer Fläche nicht ohne vorherigen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) erlaubt.

Der entscheidende Unterschied liegt in der Art der Ihnen eingeräumten Rechte. Das Sondernutzungsrecht berechtigt Sie ausschließlich zum alleinigen Gebrauch der Fläche, beispielsweise zum Aufstellen von Gartenmöbeln. Dieses Recht ändert jedoch nichts am Eigentumsverhältnis. Der Baum gilt als unselbstständiger Bestandteil des gemeinschaftlichen Grundstücks und gehört damit allen Eigentümern zusammen. Aus diesem Grund handelt es sich bei einer Fällung oder einem radikalen Rückschnitt immer um eine zustimmungspflichtige bauliche Veränderung am gemeinschaftlichen Eigentum.

Eigenmächtige Maßnahmen sind auf Sondernutzungsflächen grundsätzlich rechtswidrig. Wenn Sie ohne formellen Beschluss handeln, kann die WEG die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands auf Ihre Kosten verlangen. Das Landgericht Hamburg stellte in einem Urteil klar, dass ein Sondernutzungsrecht nicht die Befugnis zur eigenmächtigen Vornahme von baulichen Veränderungen einschließt. Die WEG muss daher jede Maßnahme, welche das Erscheinungsbild der Anlage wesentlich beeinflusst, formal genehmigen.

Konsultieren Sie unverzüglich die Teilungserklärung Ihrer WEG, um die genauen Formulierungen zu prüfen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Abzug „neu für alt“

Der Abzug „neu für alt“ ist ein wichtiger Grundsatz im Schadensersatzrecht, der verhindert, dass Geschädigte durch den Erhalt eines neuwertigen Ersatzes für eine alte Sache finanziell bessergestellt werden, als sie es zuvor waren. Das Gesetz schützt den Verursacher davor, für eine Wertverbesserung aufkommen zu müssen, die dem Geschädigten einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft.

Beispiel:
Da die Scheinzypresse bereits Schäden aufwies, entschieden die Richter, dass die Klägerin einen erheblichen Abzug „neu für alt“ hinnehmen musste, um den Mehrwert des gesunden Ersatzbaumes auszugleichen.

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Abgängig

Wenn Juristen eine Sache als abgängig bezeichnen, meinen sie damit, dass die Sache, hier der Baum, unrettbar geschädigt oder funktionslos ist und nicht mehr erhalten werden kann. Die Behauptung, etwas sei abgängig, dient in einem Rechtsstreit oft als Rechtfertigung für eine Zerstörung, weil damit die Notwendigkeit des Eingriffs belegt werden soll.

Beispiel:
Die beklagten Nachbarn konnten nicht beweisen, dass die Scheinzypresse tatsächlich abgängig war, da die Expertin erklärte, das langsame Absterben rechtfertige keine Notfällung oder den Alleingang.

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Bauliche Veränderung

Eine bauliche Veränderung beschreibt jede Maßnahme am Gemeinschaftseigentum, die über die reine Instandhaltung hinausgeht und das Erscheinungsbild oder die Funktion des Gebäudes oder Grundstücks grundlegend verändert. Diese Unterscheidung ist entscheidend, denn im Wohnungseigentumsrecht benötigen bauliche Veränderungen grundsätzlich die formelle Zustimmung der Eigentümergemeinschaft (WEG).

Beispiel:
Das Landgericht Hamburg urteilte, dass das radikale Kappen des Baumes eine unzulässige bauliche Veränderung darstellte, weil der Eingriff die Sichtschutzfunktion beseitigte und somit den optischen Gesamteindruck massiv beeinflusste.

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Naturalrestitution

Unter Naturalrestitution versteht man den juristischen Anspruch auf die Wiederherstellung des Zustands, der bestanden hätte, wenn das schädigende Ereignis (z. B. die illegale Baumfällung) nicht eingetreten wäre. Dieses Prinzip, das aus dem Beseitigungsanspruch (§ 1004 BGB) abgeleitet wird, stellt sicher, dass der ursprüngliche physische Zustand und nicht nur ein finanzieller Ausgleich wiederhergestellt wird.

Beispiel:
Aufgrund des Prinzips der Naturalrestitution forderte die Klägerin nicht nur Schadensersatz in Geld, sondern die tatsächliche Anpflanzung einer neuen, vergleichbaren Scheinzypresse von mindestens zwei Metern Höhe.

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Sondernutzungsrecht

Das Sondernutzungsrecht gewährt einem einzelnen Wohnungseigentümer das alleinige Gebrauchsrecht an bestimmten Teilen des Gemeinschaftseigentums, wie etwa einem Gartenstück oder einem Stellplatz. Obwohl dieses Recht die alleinige Nutzung ermöglicht, ändert es nichts an den Eigentumsverhältnissen: Die Fläche bleibt Gemeinschaftseigentum, um die Entscheidungsbefugnis der gesamten WEG zu sichern.

Beispiel:
Selbst wenn der Baum auf der Sondernutzungsfläche der Nachbarn stand, war dieses Sondernutzungsrecht juristisch nicht ausreichend, um die eigenmächtige Fällung ohne einen formalen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft zu rechtfertigen.

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§ 287 Zivilprozessordnung (ZPO)

Der Paragraf 287 der Zivilprozessordnung (ZPO) ermächtigt den Richter zur richterlichen Schätzung eines Schadens oder eines Kostenanteils, wenn eine exakte Bezifferung des Betrags schwierig oder unmöglich ist. Dieses Verfahren ermöglicht es Gerichten, komplizierte Sachverhalte (wie den Grad des Vorschadens) pragmatisch und schnell zu bewerten, ohne auf langwierige, teure Gutachten angewiesen zu sein.

Beispiel:
Das Landgericht nutzte § 287 ZPO, um den genauen Prozentsatz des Abzugs „neu für alt“ festzulegen, indem es basierend auf Fotos und Zeugenaussagen die Vorschäden des ursprünglichen Baumes auf 70 Prozent schätzte.

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Das vorliegende Urteil


LG Hamburg – Az.: 318 S 39/23 – Urteil vom 14.03.2025


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