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WEG Beschlussanfechtung wegen fehlender Vorabinformation zu Sanierungsangeboten

Eigentümer stimmten in München einer umfassenden Sanierung für 280.000 Euro zu. Der Beschluss steht nun auf der Kippe, weil die Einsichtnahme der komplexen Sanierungsangebote während der Versammlung nicht genügte.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 S 3380/25 WEG | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht München I
  • Datum: 27.08.2025
  • Aktenzeichen: 1 S 3380/25 WEG
  • Verfahren: Beschlussanfechtung (Berufung)
  • Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Informationspflichten der Verwaltung, Ordnungsgemäße Verwaltung

  • Das Problem: Eine Eigentümergemeinschaft beschloss eine umfangreiche Sanierung der Etagenflure für geschätzt 280.000 Euro. Eine Miteigentümerin klagte, weil die konkreten Angebote und deren Vergleichbarkeit vor der Versammlung nicht an alle Eigentümer verschickt wurden.
  • Die Rechtsfrage: Muss die Hausverwaltung bei Beschlüssen über finanziell sehr bedeutende und komplexe Sanierungen die Angebote oder einen Preisvergleich schon vor der Eigentümerversammlung an alle Eigentümer senden?
  • Die Antwort: Ja, der Beschluss wurde für ungültig erklärt. Bei so hohen Kosten und komplexen Maßnahmen müssen Entscheidungsgrundlagen wie Angebote oder ein Preisspiegel vorab zugänglich gemacht werden. Die bloße Möglichkeit zur Einsichtnahme in der Versammlung reicht nicht aus.
  • Die Bedeutung: Dieses Urteil betont, dass Eigentümer ausreichend Zeit und Information benötigen, um eine fundierte Entscheidung über hohe finanzielle Belastungen zu treffen. Die Verwaltung verletzt ihre Pflicht, wenn sie die Vorabinformation bei großen Projekten unterlässt.

Der Fall vor Gericht


War der teure Sanierungsbeschluss von Anfang an zum Scheitern verurteilt?

Manchmal sind es nicht die großen Streitpunkte, die einen Beschluss kippen, sondern die kleinen Fehler im Ablauf. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft in München war sich einig: Die Flure brauchten eine Frischzellenkur.

Ein Eigentümer erhält die Angebote zur teuren Sanierung erst in der Versammlung – ein Ladungsmangel, der zur WEG-Beschlussanfechtung führt.
Sanierungsbeschluss der Eigentümergemeinschaft wegen fehlender Vorabunterlagen vom Landgericht für ungültig erklärt. | Symbolbild: KI

Ein Budget von 280.000 Euro wurde beschlossen, Handwerker ausgewählt, alles schien auf Kurs. Doch die Hausverwaltung hatte eine entscheidende Kleinigkeit übersehen. Sie hatte die Angebote der Firmen zwar zur Versammlung mitgebracht, sie aber nicht vorab an die Eigentümer verschickt. Ein Detail, das am Ende den gesamten, teuren Sanierungsbeschluss zu Fall brachte und eine Grundregel für jede WEG-Verwaltung zementierte.

Muss die Hausverwaltung Angebote zur Sanierung vor der Versammlung schicken?

Eine Eigentümerin war der Ansicht: Ja, unbedingt. Sie zog vor Gericht, um den Beschluss über die Sanierung der Etagenflure für ungültig erklären zu lassen. Das Projekt war gewaltig: Malerarbeiten, neue Böden, moderne LED-Beleuchtung und der Austausch von über 100 Wohnungstüren standen auf dem Plan. Das Gesamtbudget inklusive Puffer lag bei rund 280.000 Euro, finanziert durch eine Sonderumlage und die Instandhaltungsrücklage. In der Eigentümerversammlung lagen zwar diverse Angebote von verschiedenen Firmen auf dem Tisch. Die Einladung zur Versammlung enthielt diese wichtigen Dokumente aber nicht.

Die klagende Eigentümerin argumentierte schlicht: Niemand konnte sich auf eine so weitreichende finanzielle Entscheidung vorbereiten. Die Gemeinschaft verteidigte sich. Alle Unterlagen seien in der Versammlung einsehbar gewesen. Das Amtsgericht München gab der Gemeinschaft zunächst recht und wies die Klage ab. Die Eigentümerin ging in Berufung – mit Erfolg. Das Landgericht München I kassierte die Entscheidung der Vorinstanz und erklärte den Sanierungsbeschluss für ungültig.

Die Richter stellten klar: Eine starre Regel gibt es nicht. Die Frage, ob Unterlagen vorab versendet werden müssen, hängt vom Einzelfall ab. Die entscheidenden Kriterien sind die Komplexität der Maßnahme, ihre finanzielle Tragweite und das Vorwissen der Eigentümer. Bei einem Projekt dieser Größenordnung sei das Informationsbedürfnis der Eigentümer immens hoch. Das Gericht stützte sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der wiederholt betont hat, dass eine sachgerechte Vorbereitung für die Eigentümer möglich sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2020 – V ZR 110/19).

Warum reichte die Einsichtnahme der Angebote in der Versammlung nicht aus?

Das zentrale Argument der Eigentümergemeinschaft war, dass ja jeder die Möglichkeit hatte, die Angebote während der Sitzung zu prüfen. Diesen Einwand pulverisierte das Gericht mit einem Verweis auf die Lebenswirklichkeit. Die Richter machten deutlich, dass die vorgelegten Angebote alles andere als selbsterklärend oder einfach vergleichbar waren. Unterschiedliche Firmen hatten für verschiedene Gewerke – malen, lackieren, Boden verlegen – mit unterschiedlichen Mengenangaben kalkuliert.

Einem Laien ist es kaum möglich, unter dem Zeitdruck einer laufenden Versammlung einen Stapel solcher Dokumente zu analysieren, die Vor- und Nachteile abzuwägen und eine fundierte Entscheidung zu treffen. Eine echte Meinungsbildung braucht Zeit und Ruhe. Die bloße Chance, einen Blick auf die Papiere zu werfen, ersetzt nicht das Recht auf eine angemessene Vorbereitung. Das Gericht bezeichnete das Fehlen der Vorabinformation als einen schwerwiegenden Verfahrensmangel. Dieser Mangel schränkt die Entscheidungsfreiheit der Eigentümer faktisch ein und widerspricht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung.

Konnte eine frühere Diskussion die fehlenden Unterlagen heilen?

Die Verwaltung brachte einen weiteren Punkt vor. Bereits ein Jahr zuvor, in einer Versammlung Ende 2022, habe man über die Treppenhaussanierung diskutiert. Die Eigentümer seien also nicht unvorbereitet gewesen. Auch dieses Argument ließ das Gericht nicht gelten. Ein genauer Blick ins Protokoll der alten Versammlung entkräftete den Einwand.

Damals war von einem viel kleineren Kostenrahmen die Rede. Konkrete Angebote lagen zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht vor. Die Diskussion war allgemein und vage geblieben. Sie schuf keine Grundlage, um die ein Jahr später präsentierten, detaillierten und weitaus teureren Angebote sachgerecht einordnen zu können. Das Vorwissen der Eigentümer war minimal.

Was hätte die Verwaltung also tun müssen? Das Gericht legte den Finger in die Wunde. Es wäre die Pflicht der Verwaltung gewesen, den Eigentümern entweder die vollständigen Angebote oder zumindest eine übersichtliche Zusammenstellung – einen sogenannten Preisspiegel – mit der Einladung zur Versammlung zukommen zu lassen. Da beides unterblieb, war der Beschluss fehlerhaft zustande gekommen. Das Gericht erklärte ihn für ungültig. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits muss nun die Eigentümergemeinschaft tragen.

Die Urteilslogik

Für das Zustandekommen gültiger Beschlüsse ist die formelle Vorbereitung der Wohnungseigentümer genauso wichtig wie die inhaltliche Richtigkeit der Maßnahme selbst.

  • Die Pflicht zur Vorabinformation richtet sich nach der Komplexität: Die Verwaltung muss alle entscheidungsrelevanten Unterlagen vorab verschicken, wenn die finanzielle Tragweite und die Komplexität der geplanten Maßnahmen eine fundierte und sachgerechte Vorbereitung der Eigentümer erfordern.
  • Das Recht auf Meinungsbildung erfordert Ruhe: Die bloße Möglichkeit, umfangreiche Angebote oder schwer vergleichbare Dokumente unter dem Zeitdruck einer laufenden Versammlung einzusehen, ersetzt niemals das verbriefte Recht der Eigentümer auf eine vorbereitende Analyse und kritische Abwägung.
  • Ein Ladungsmangel macht den Beschluss ungültig: Unterlässt es die Verwaltung, bei weitreichenden Investitionen in die Substanz die Eigentümer angemessen über die Kostenbasis zu informieren, liegt ein schwerwiegender Verfahrensmangel vor, der den Beschluss als unwirksam erklärt.

Eine ordnungsgemäße Verwaltung setzt zwingend voraus, dass jedem Eigentümer genügend Zeit für die Analyse umfangreicher und finanziell tragender Entscheidungen eingeräumt wird.


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Experten Kommentar

Ein Sanierungsbeschluss für 280.000 Euro ist kein Kauf von Briefmarken – dafür braucht es Ruhe und Zeit zur Prüfung. Das Gericht zieht hier eine klare rote Linie: Bei komplexen und teuren Projekten, wo Laien detaillierte Angebote verschiedener Gewerke vergleichen müssen, reicht die bloße Einsichtnahme während der Versammlung nicht aus. Praktisch bedeutet dies, dass Verwaltungen bei hohen Investitionen einen detaillierten Preisspiegel oder die vollständigen Angebote zwingend vorab mit der Einladung versenden müssen. Wer meint, Eigentümer könnten komplizierte Kalkulationen unter dem Zeitdruck einer Sitzung analysieren, riskiert die komplette Ungültigkeit des Beschlusses.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Ab welcher Kostengrenze muss die WEG-Verwaltung Angebote vorab versenden?

Die kurze Antwort auf diese Frage ist ernüchternd: Es existiert keine feste Kostengrenze im WEG-Gesetz, die automatisch den Versand von Handwerkerangeboten auslöst. Entscheidend ist stattdessen die juristische Kombination aus der finanziellen Tragweite, der Komplexität der Maßnahme und dem Vorwissen der Eigentümer. Bei großen Projekten, wie einer Sanierung im Umfang von 280.000 Euro, urteilen Gerichte, dass die Vorabinformation zwingend erforderlich ist, um eine fundierte Abstimmung zu ermöglichen.

Juristen nennen diesen Grundsatz die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung. Diese Pflicht bedeutet, dass die Verwaltung alle nötigen Schritte unternehmen muss, damit die Eigentümer eine sachgerechte Entscheidung treffen können. Ein simpler Verweis auf die Möglichkeit, die Angebote erst in der Versammlung einzusehen, reicht bei komplexen oder teuren Vorhaben nicht aus. Eine sachgerechte Meinungsbildung erfordert Ruhe und Zeit, um beispielsweise Dutzende Seiten Bauleistung und abweichende Mengenangaben miteinander vergleichen zu können. Die Regel lautet: Je teurer und komplizierter das Projekt, desto höher ist der Anspruch der Eigentümer auf vollständige und rechtzeitige Unterlagen vor der Abstimmung.

Ein passender Vergleich ist das Treffen großer Kaufentscheidungen. Niemand würde erwarten, dass Sie einen Kaufvertrag über eine halbe Million Euro unterschreiben, wenn Sie die genauen Leistungsbeschreibungen und Spezifikationen erst in der Versammlung zur Verfügung gestellt bekommen. Genauso verhält es sich im WEG-Recht: Bei hohen Kosten und komplexen Sanierungen muss die Chance zur vorherigen gründlichen Prüfung gegeben sein. Ist dies nicht der Fall, liegt ein schwerwiegender Verfahrensmangel vor, der den gesamten Beschluss zur Ungültigkeit führen kann.

Warten Sie nicht, bis die Versammlung stattgefunden hat, um zu rügen. Prüfen Sie sofort nach Erhalt der Einladung, ob das geplante Sanierungsprojekt die Bagatellgrenze (oft im unteren fünfstelligen Bereich) signifikant überschreitet. Fehlen in diesem Fall die vollständigen Angebote oder zumindest ein detaillierter Preisspiegel, handeln Sie sofort. Fordern Sie die Unterlagen bei der Hausverwaltung schriftlich an – am besten per Einschreiben oder beweisbarer E-Mail. Dies schafft eine klare Beweislage dafür, dass Ihnen die Vorbereitung unmöglich gemacht wurde, sollte es später zu einer Anfechtung kommen.


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Kann ich als Eigentümer die Original-Handwerkerangebote einfordern, wenn nur der Preisspiegel vorlag?

Als Eigentümer haben Sie das Recht auf eine fundierte Entscheidungsgrundlage. Die Hausverwaltung ist nicht zwingend verpflichtet, Ihnen die Originalangebote vorab zuzuschicken. Sie kann stattdessen einen detaillierten Preisspiegel versenden. Dieser muss jedoch übersichtlich sein und alle relevanten Unterschiede in Leistung und Menge klar darstellen. Ist der Preisspiegel mangelhaft und verhindert er eine sachgerechte Vorbereitung, gilt dies als schwerwiegender Verfahrensmangel und Sie können die vollständigen Unterlagen fordern.

Die Regel lautet: Die Verwaltung muss alles Notwendige tun, um den Eigentümern eine sachgerechte Meinungsbildung zu ermöglichen, bevor über eine finanziell weitreichende Maßnahme abgestimmt wird. Ein bloßer Blick auf Dokumente während der hitzigen Eigentümerversammlung genügt dafür nicht. Die Verwaltung erfüllt ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Vorbereitung entweder durch den Versand der vollständigen Handwerkerangebote oder durch eine aussagekräftige Zusammenfassung.

Das juristische Problem entsteht, wenn die Verwaltung den Weg des Preisspiegels wählt, dieser aber lückenhaft ist. Juristen werten die mangelnde Vergleichbarkeit als fortbestehenden Mangel. Ist ein Preisspiegel nicht transparent, weil er unterschiedliche Mengenangaben, Materialien oder abweichende Gewerke nicht klar darstellt, ist die Entscheidungsgrundlage unzureichend. Die Pflicht zur Vorabinformation bezieht sich darauf, dass Sie als Laie in Ruhe die Vor- und Nachteile abwägen können. Wenn der Preisspiegel dies nicht leistet, ist er als Dokumentation fehlerhaft.

Ein passender Vergleich ist, Sie bitten in einem Restaurant um die Speisekarte. Der Kellner zeigt Ihnen aber nur eine Liste von Endpreisen, ohne die dazugehörigen Gerichte zu nennen. Sie können keine fundierte Bestellung aufgeben. Genauso wenig können WEG-Eigentümer einen Sanierungsbeschluss abnicken, wenn der Preisspiegel nur die Endsummen zeigt, aber kritische Differenzen in Material oder Leistung verschleiert. Die Qualität des Spiegels muss die Komplexität der Maßnahme widerspiegeln.

Prüfen Sie den vorliegenden Preisspiegel sofort und akribisch. Gehen Sie dabei detektivisch vor: Dokumentieren Sie exakt, welche Punkte (etwa unterschiedliche Quadratmeter-Angaben, unklare Materialbezeichnungen oder fehlende Leistungsbeschreibungen) eine Vergleichbarkeit unmöglich machen. Fehlt diese notwendige Übersichtlichkeit, fordern Sie die Originalangebote unverzüglich schriftlich und beweisbar (per Einschreiben) bei der Hausverwaltung an. Nur so schaffen Sie die Grundlage für eine mögliche Anfechtung wegen mangelnder Vorbereitung, falls der Beschluss ohne ausreichende Information gefasst wird.


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Welche Fristen gelten für die Anfechtung eines WEG-Sanierungsbeschlusses vor Gericht?

Die Anfechtung eines WEG-Beschlusses ist an extrem kurze, zwingende Fristen gebunden, die im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) klar definiert sind. Die Klage muss exakt innerhalb eines Monats nach dem Tag der Beschlussfassung beim zuständigen Amtsgericht eingereicht werden (§ 44 Abs. 1 WEG). Wird diese strenge Monatsfrist versäumt, tritt die sogenannte Bestandskraft ein. Dies bedeutet, dass selbst eklatant fehlerhafte Beschlüsse – wie eine 280.000-Euro-Sanierung ohne ordnungsgemäß vorliegende Angebote – nicht mehr angreifbar sind.

Die Regel lautet: Das Gesetz fordert im WEG-Recht eine schnelle Klärung. Ziel dieser rigorosen Fristsetzung ist es, der Eigentümergemeinschaft schnellstmöglich Rechtssicherheit über ihre gefassten Beschlüsse zu geben. Projekte von großer finanzieller Tragweite, wie umfangreiche Sanierungen, müssen zügig und ohne jahrelange Verzögerungen umgesetzt werden können. Entscheidend für die Einhaltung der Frist ist allein der Zeitpunkt, zu dem die Klageschrift beim Amtsgericht eingeht. Ein einfacher Widerspruch bei der Hausverwaltung oder im Protokoll stoppt diese Frist keinesfalls.

Nachdem die Klage fristgerecht erhoben wurde, folgt in der Regel die Frist zur Begründung. Die ausführliche Darlegung, warum der Beschluss fehlerhaft ist – zum Beispiel, weil die Verwaltung die notwendigen Angebote nicht vorab zugesendet hat –, muss innerhalb einer weiteren Monatsfrist erfolgen. Dieser zweite Schritt dient dazu, dem Gericht die genauen Verfahrensmängel transparent aufzuzeigen.

Denken Sie an die Situation eines 100-Meter-Sprints im Gerichtssaal. Sie müssen sofort handeln, sobald der Beschluss gefasst ist. Wenn Sie nur im Büro der Verwaltung einen Einspruch hinterlegen, verstreicht die entscheidende gerichtliche Frist ohne Wirkung. Die Möglichkeit, einen fehlerhaften Beschluss anzufechten, muss durch die Einreichung der Klage beim Gericht gesichert werden.

Nehmen Sie das Protokoll der Versammlung und notieren Sie sofort das Datum der Beschlussfassung. Rechnen Sie ab diesem Datum exakt einen Monat vorwärts. Ein Fehler im Fristbeginn oder Fristende kann Ihre gesamte Anfechtung zum Scheitern bringen. Kontaktieren Sie deshalb unverzüglich, idealerweise noch in derselben Woche, einen Fachanwalt für WEG-Recht. Nur dieser kann die Klage fristwahrend und formal korrekt beim zuständigen Gericht einreichen, um Ihr Anfechtungsrecht zu wahren.


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Was passiert mit laufenden Bauarbeiten, wenn der WEG-Beschluss nachträglich ungültig wird?

Die Ungültigkeitserklärung eines WEG-Beschlusses, etwa wegen fehlender Vorabinformation, entzieht der Verwaltung rückwirkend die Rechtsgrundlage für das Projekt und die zugehörige Sonderumlage. Obwohl der interne Beschluss ungültig ist, bleiben die externen Werkverträge mit den Handwerkern zivilrechtlich wirksam. Das bedeutet: Die WEG schuldet die Bezahlung der bereits erbrachten Leistungen. Die Verwaltung muss die Bauarbeiten sofort einstellen lassen, um weitere, nicht gedeckte Kosten zu vermeiden.

Juristen unterscheiden hier strikt zwischen dem internen Verhältnis der Eigentümergemeinschaft und den externen Verträgen mit Dritten. Der Mangel betrifft lediglich die interne Willensbildung der WEG; er liegt im Verfahren, nicht im abgeschlossenen Vertrag selbst. Der Werkvertrag, den die Verwaltung im Namen der Gemeinschaft mit der Baufirma geschlossen hat, bleibt grundsätzlich bestehen. Die Gemeinschaft schuldet daher weiterhin die vertraglich vereinbarte Vergütung für alle bereits erfolgten Arbeiten.

Das große Problem liegt in der Finanzierung. Da der Beschluss zur Durchführung und zur Erhebung der Sonderumlage ex tunc (von Anfang an) unwirksam ist, entfällt die Beschlusskompetenz der Verwaltung. Die angesammelten Gelder dürfen nicht mehr auf dieser Basis verwendet werden. Setzt die Verwaltung die Bauarbeiten dennoch fort oder bezahlt sie Rechnungen aus der jetzt nicht mehr legitimierten Sonderumlage, potenziert dies das Haftungsrisiko der Gemeinschaft und des Verwalters, da sie ohne gültigen Beschluss handeln.

Ein passender Vergleich ist der Kauf eines Autos auf Kredit: Wird der Kaufvertrag wegen eines Formfehlers ungültig, ist die interne Vereinbarung mit der Bank hinfällig. Das bedeutet aber nicht, dass der Autohändler das Auto automatisch zurücknehmen muss oder seine Rechnung verfällt. Die Gemeinschaft sitzt in einer ähnlichen Situation: Sie hat eine externe Schuld geschaffen, deren interne Finanzierungsgrundlage weggebrochen ist.

Prüfen Sie bei einer erfolgreichen Anfechtung sofort, wie weit die Arbeiten fortgeschritten sind. Die Hausverwaltung muss unverzüglich (am besten per Einschreiben) die Bauunternehmen anweisen, die Arbeiten mit sofortiger Wirkung einzustellen und eine genaue Aufstellung der bis dato erbrachten Leistungen zu liefern. Anschließend muss zügig eine neue, fehlerfreie Eigentümerversammlung einberufen werden, um entweder die Fortführung der Maßnahme oder deren geordnete Beendigung rechtskräftig zu beschließen.


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Wie kann die Hausverwaltung fehlerhafte Einladungen zur WEG-Versammlung nachträglich korrigieren?

Schwere Verfahrensmängel bei WEG-Beschlüssen, etwa durch fehlende Vorabinformation zu umfangreichen Sanierungsangeboten, können nachträglich nicht geheilt werden. Nach der erfolgten Beschlussfassung gibt es keine juristische Abkürzung, um den Mangel zu beseitigen. Die einzige rechtssichere Methode zur Korrektur ist die vollständige Wiederholung des Beschlusses. Hierfür muss die Verwaltung eine neue Versammlung einberufen, welche die gesetzlichen Ladungsfristen (meist drei Wochen) einhält und alle relevanten Entscheidungsunterlagen beifügt.

Juristen nennen das Problem der Heilung von Beschlussmängeln besonders komplex. Der entscheidende Punkt liegt immer im Zeitpunkt der tatsächlichen Meinungsbildung der Eigentümer. War die Vorbereitung auf die Abstimmung mangelhaft, weil wesentliche Unterlagen fehlten, gilt der Beschluss als fehlerhaft zustande gekommen. Die Regel lautet: Was einmal aufgrund eines gravierenden Verfahrensfehlers ungültig ist, lässt sich im Nachhinein nicht einfach reparieren. Weder ein nachträglicher Verweis auf frühe, vage Vordiskussionen – wie im Münchner Fall geschehen – noch die simple spätere Zusendung der Dokumente kann diesen fundamentalen Mangel beheben.

Genauso wenig lässt sich die mangelnde Vorbereitung heilen wie ein bereits gelaufenes Rennen. Die Verwaltung kann den Eigentümern nicht einfach Unterlagen zuschicken und behaupten, das Informationsdefizit sei nun beseitigt, da die Abstimmung ja bereits stattgefunden hat. Die Eigentümergemeinschaft muss zwingend erneut zusammenkommen, damit jeder Teilnehmer die Chance erhält, die Unterlagen in Ruhe zu studieren und auf dieser Grundlage fundiert abzustimmen. Die Verwaltung muss den gesamten Prozess ordnungsgemäß neu starten.

Wenn ein Beschluss wegen fehlender Unterlagen angefochten wurde oder dies akut droht, müssen Sie unverzüglich handeln. Die Verwaltung sollte sofort ein Rechtsgutachten zur Anfechtungswahrscheinlichkeit einholen, um das Risiko abschätzen zu können. Parallel dazu ist schnellstmöglich die Einberufung einer erneuten Versammlung vorzubereiten. Nur wenn der Beschluss unter Einhaltung aller formalen Anforderungen fristgerecht neu gefasst wird, kann die zugrunde liegende Maßnahme gerettet und die rechtliche Unsicherheit beseitigt werden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Bestandskraft

Wenn die gesetzliche Monatsfrist für eine Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses verstreicht, tritt die Bestandskraft ein, wodurch der Beschluss trotz möglicher Verfahrensfehler unumstößlich wird. Das Gesetz verfolgt damit das Ziel, Rechtssicherheit für die Wohnungseigentümergemeinschaft zu schaffen, damit Projekte von großer finanzieller Tragweite zügig und ohne jahrelange Verzögerungen umgesetzt werden können.

Beispiel: Weil die klagende Eigentümerin die gerichtliche Klage erst nach drei Monaten erhob, konnte der fehlerhafte Sanierungsbeschluss nicht mehr angegriffen werden, da die Bestandskraft unwiderruflich eingetreten war.

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ex tunc

Der lateinische Rechtsbegriff ex tunc beschreibt die juristische Wirkung, wenn ein Beschluss rückwirkend so behandelt wird, als wäre er niemals existent gewesen. Im WEG-Recht bedeutet die Ungültigkeitserklärung ex tunc, dass die interne Rechtsgrundlage für die Maßnahme von Anfang an fehlt, obwohl externe Werkverträge mit Dritten davon unberührt bleiben.

Beispiel: Da das Gericht den fehlerhaften Sanierungsbeschluss für ungültig erklärte, entfiel die Rechtsgrundlage zur Verwendung der beschlossenen Sonderumlage ex tunc.

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Ordnungsgemäße Verwaltung

Die Ordnungsgemäße Verwaltung ist die zentrale Rechtspflicht des Verwalters, alle Maßnahmen zu treffen, die dem gemeinschaftlichen Interesse der Eigentümer dienen und eine sachgerechte Meinungsbildung ermöglichen. Diese Pflicht verlangt Transparenz und Gründlichkeit, insbesondere bei finanziell weitreichenden Entscheidungen, um sicherzustellen, dass Eigentümer die nötigen Unterlagen in Ruhe prüfen können.

Beispiel: Im vorliegenden Fall verletzte die Hausverwaltung ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung, indem sie die detaillierten Handwerkerangebote für die 280.000-Euro-Sanierung nicht vorab an die Eigentümer verschickte.

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Preisspiegel

Ein Preisspiegel ist eine übersichtliche Zusammenstellung und ein direkter Vergleich der eingereichten Angebote verschiedener Handwerksfirmen, den die Verwaltung alternativ zu den vollständigen Originalangeboten versenden kann. Dieses Dokument dient als fundierte Entscheidungsgrundlage und muss transparent alle relevanten Unterschiede in Leistung, Material und Mengenangaben klar darstellen.

Beispiel: Das Gericht legte fest, die Verwaltung hätte zumindest einen detaillierten Preisspiegel mit der Einladung zur Versammlung versenden müssen, um den Eigentümern eine Vergleichbarkeit der komplexen Gewerke zu ermöglichen.

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Schwerwiegender Verfahrensmangel

Juristen sprechen von einem schwerwiegenden Verfahrensmangel, wenn ein Fehler im Ablauf der Beschlussfassung die Entscheidungsfreiheit oder das Recht zur angemessenen Vorbereitung der Eigentümer elementar einschränkt. Solche gravierenden Mängel führen typischerweise zur Ungültigkeit des gesamten Beschlusses, weil das Verfahren nicht den Grundsätzen einer fairen Willensbildung entsprach.

Beispiel: Das Fehlen der notwendigen Vorabinformation zu den komplexen Sanierungsangeboten wurde vom Landgericht München I als schwerwiegender Verfahrensmangel gewertet, der den gesamten Beschluss zur Ungültigkeit führte.

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Sonderumlage

Als Sonderumlage bezeichnen Juristen eine einmalige zusätzliche Zahlung der Wohnungseigentümer, die nötig wird, um unerwartete oder besonders hohe Kosten, oft für große Sanierungsprojekte, außerhalb der laufenden Hausgeldzahlungen zu decken. Der Zweck der Sonderumlage ist es, die notwendigen finanziellen Mittel für eine beschlossene Maßnahme schnell zu beschaffen, ohne die Liquidität der Instandhaltungsrücklage zu gefährden.

Beispiel: Das 280.000 Euro teure Sanierungsprojekt sollte über eine Sonderumlage finanziert werden, deren Einziehung gestoppt werden musste, weil die Beschlussgrundlage durch die gerichtliche Anfechtung entfiel.

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Das vorliegende Urteil


LG München I – Az.: 1 S 3380/25 WEG – Urteil vom 27.08.2025


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