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Nebenkostenabrechnung – Grenzen des Belegeinsichtsrechts des Mieters

AG Dresden – Az.: 145 C 4301/19 – Urteil vom 19.03.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft in nachfolgend benannte Belege jeweils zu den Abrechnungspositionen ,,Hauswart“, ,,Außenreinigung“, ,,Außenanlagen Rasenfläche, ,,Außenanlage Geholzfläche“, ,,Außenanlage Heckschnitt“, Außenanlage Spielfläche“, ,,Hausreinigung“ und ,,Winterdienst“ der Nebenkostenabrechnung 2017/2018 (01.10.2017 bis 30.09.2018) durch Einsicht zu gewähren:

a. Rechtsgrundlagen aus denen sich die entsprechenden Zahlungsverpflichtungen der Beklagten ergeben

b. Rechnungen und Tätigkeitsnachweise

c. Arbeitsverträge der von der Beklagten beschäftigten Personen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Berufung wird zugelassen, soweit im Wege des Teilurteils die Klage abgewiesen wurde.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer Stufenklage über Belegeinsicht sowie deren Reichweite und Rückzahlung überzahlter Vorauszahlungen.

Die Parteien sind durch Mietvertrag vom 20.07.2004 bzw. vom 26.07.2004 (Bl. 4 -10 d. A.) seit dem 01.10.2014 miteinander verbunden. Im Auftrag der Beklagten übersandte die … GmbH mit Schreiben vom 15.04.2019 (Bl. 11 – 14 d. A.) die Betriebskostenabrechnung für den Abrechnungszeitraum 01.10.2017 bis 30.09.2018. Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 07.05.2019, dieses ergänzt mit Schreiben vom 12.06.2019, Widerspruch ein und begehrten Einsicht in die entsprechend benannten Abrechnungsbelege. Diesbezüglich werden Anlage K 3 (Bl. 15 – 17 d, A.) in Bezug genommen.

Die Kläger meinen, aufgrund der wirtschaftlichen Verwobenheit der Beklagten mit den beauftragten Unternehmen bestünde ein Anspruch auf Einsichtnahme in Verträge der Beklagten mit Vierten. Die Abrechnung sei sonst intransparent und könne nicht hinreichend nachvollzogen werden. Zudem sei aufgrund der erheblichen Kostensteigerung davon auszugehen, dass die Beklagte mit den Betriebskosten einen Gewinn erwirtschafte. Dies sei jedoch ausgeschlossen, Auch liege aufgrund der abgerechneten Kosten ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nahe. Jedenfalls sei die beklagte ihrer Verpflichtung durch die bisher vorgelegten Unterlagen noch nicht nachgekommen. Aussagekräftige Verträge seien nicht vorgelegt worden und die entsprechenden Rechnungen und Tätigkeitsnachweise seien zu pauschal und nicht prüfbar.

Die Kläger beantragen im Wege der Stufenklage,

1. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft in nachfolgend benannte Belege jeweils zu den Abrechnungspositionen ,,Hauswart“, ,,Außenreinigung“, ,,Außenanlagen Rasenfläche, ,,Außenanlage Geholzfläche“, ,,Außenanlage Heckschnitt“, Außenanlage Spielfläche“, ,,Hausreinigung“ und ,,Winterdienst“ der Nebenkostenabrechnung 2017/2018 (01.10.2017 bis 30.09.2018) durch Einsicht zu gewähren:

  • Rechtsgrundlage aus der sich die entsprechende Zahlungsverpflichtung der Beklagten / des Vermieters ergeben
  • Rechnungen und Tätigkeitsnachweise
  • Arbeitsverträge der beschäftigten Personen
  • Nachweis der Arbeitgeberanteile
  • Nachweis der Gemeinkosten
  • Gewinnabführungs- Gewinnverteilungsverträge beauftragter und beherrschter dienstleistungsausführender Tochterfirmen

2. nach Auskunftserteilung / Belegeinsicht die Beklagte zu verurteilen, ein noch zu bezifferndes Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung 2017/2018 an die Kläger nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe den bestehenden Anspruch durch Vorlage der Unterlagen bereits vollumfänglich erfüllt. Ein Anspruch auf Überlassung interner Kalkulationen der beauftragten Gesellschaften sowie zwischen den Gesellschaften und deren Mitarbeitern geschlossener Arbeitsverträge bestünde unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist, soweit ihr durch Versäumnisteilurteil stattgegeben wurde, zulässig und schlüssig. Insbesondere wurde ein entsprechender Antrag nach § 330 ZPO gestellt und Hinderungsgründe i.S.v. § 335 Abs. l ZPO liegen nicht vor.

II.

Soweit die Klage im Übrigen im Wege des Teilurteils abgewiesen wurde, ist die Klage unschlüssig. Das diesbezügliche Vorbringen der Kläger ist nicht geeignet den begehrten Anspruch in diesem Umfang zu tragen, § 331 Abs. 2 Alt. 2 ZPO.

Aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB i.V.m. § 259 Abs. 1 BGB analog folgt kein Recht auf Einsicht in Belege, durch welche Arbeitgeberanteile und Gemeinkosten nachgewiesen werden sowie die Gewinnabführungs- Gewinnverteilungsverträge beauftragter und beherrschter dienstleistungsausführender Tochterfirmen und die Arbeitsverträge der bei den, von der Beklagten beauftragten, Firmen beschäftigten Personen.

Nebenkostenabrechnung - Grenzen des Belegeinsichtsrechts des Mieters
(Symbolfoto: Stanislaw Mikulski/Shutterstock.com)

Im Rahmen der jährlichen Abrechnung über die vorausbezahlten Betriebskosten, ist der Vermieter verpflichtet den Mietern die Überprüfung durch Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen zu ermöglichen. Insofern sind sämtliche Rechnungen und Belege, insbesondere auch Verträge des Vermieters mit Dritten, auf Verlangen vorzulegen, soweit deren Heranziehung für eine sachgerechte Überprüfung der Nebenkostenabrechnung und zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB erforderlich ist (BGH, Urteil vom 03. Juli 2013 – VIII ZR 322/12 -, Rn. 9; Beschluss vom 22. November 2011 – VIII ZR 38/11, WuM 2012, 276 Rn. 2; Urteil vom 8. März 2006 – VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419 Rn. 21).

Hiervon umfasst ist jedoch nicht die Einsicht in Belege, welche die Beziehungen des Vertragspartners der Beklagten mit Vierten sowie deren interne Aufschlüsselung betreffen. Denn dies ist nicht Teil der Rechnungslegung des Vermieters, sondern Teil der Rechnungslegung des Vertragspartners des Vermieters. Grenze der Vorlageverpflichtung ist zudem nach Sinn und Zweck der Vorschrift die Prüfbarkeit der erfolgten Abrechnung. Es muss dem Mieter möglich sein zu prüfen, ob die dem Vermieter aufgrund vertraglicher Bestimmung in Rechnung gestellten Kosten korrekt auf ihn umgelegt wurden. Dies kann der Mieter durch Einsicht in die Abrechnungsunterlagen des Vermieters hinreichend nachvollziehen. Welche Kosten die von diesem beauftragten Unternehmen ihren Mitarbeitern bzw. beauftragten Subunternehmen in Rechnung stellen ist dabei irrelevant. Allein maßgeblich sind die beim Vermieter angefallenen Kosten. Dies entspricht auch der Auffassung des BGH in seinem Urteil vom 03. Juli 2013 (Az.: VIII ZR 322/12), wonach die Einsichtnahme in Belege des Vorlieferanten für eine sachgerechte Prüfung regelmäßig nicht erforderlich ist.

Etwas anderes folgt vorliegend – entgegen der Auffassung der Kläger – auch nicht aus der wirtschaftlichen Verwobenheit der Beklagten mit ihren Vertragspartnern. Zwar mag es sich hierbei um Tochterunternehmen der Beklagten handeln. Dennoch sind diese juristisch eigenständige Unternehmen mit einer unabhängigen Buchführung sowie Gewinn- und Verlustverteilung. Entgegen dem Amtsgericht München stellen diese folglich sehr wohl selbstständige, „echte“ Vertragspartner der Beklagten dar. Mithin ist die Rechtsprechung des BGH zu den Warenlieferungsverträgen auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Insoweit kann dahin stehen, ob der Vermieter mit Betriebskosten einen Gewinn erwirtschaften darf, wobei dies aufgrund der gesetzlichen Regelung, wonach die Umlage Betriebskosten der Ausnahmefall ist, wohl abzulehnen wäre. Denn nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei den beauftragten Tochterunternehmen um selbstständige Vertragspartner. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob diese intern einen Gewinn erwirtschaften. Maßgeblich wäre ausschließlich, ob ein solcher bei der Beklagten anfällt, was aufgrund der Einsicht in die der Beklagten zugänglichen Belege hinreichend nachvollzogen werden kann.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Berufung auf einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB. Dieser Einwand ist vielmehr erst im Rahmen der Rückzahlung (gegebenenfalls) zu viel gezahlter Beträge relevant. Ein weitergehendes Recht auf Einsichtsgewährung ergibt sich hieraus nicht. Insofern bleibt es den Mietern unbenommen die Einhaltung des Gebots durch Vergleich der ihnen in Rechnung gestellten Kosten mit den Preisen anderer Auftragnehmer zu überprüfen (BGH, Urteil vom 03. Juli 2013 – VIII ZR 322/12 -, Rn. 11, juris). Nur wenn diese deutlich überhöht sind, ist eine Verletzung gegeben. Nicht erforderlich ist hierfür die Einsicht in die begehrten Abrechnungsunterlagen. Aus den oben genannten Gründen ist zudem im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots unerheblich, ob die Vertragspartner der Beklagten hiermit einen Gewinn erwirtschaften. Maßgeblich ist allein, ob die dem Vermieter in Rechnung gestellten und auf die Mieter umgelegten Kosten von den marktüblichen Preisen wesentlich abweichen.

Auch aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB ergibt sich kein Anspruch (BGH 15./16.6.1970 – V ZR 90/67, LM zu § 242 [Be] Nr 25; 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86; 23.11.1981 – VIII ZR 298/80, NJW 1982, 573; 17.5.1994 – X ZR 82/92, NJW 1995, 386; Staudinger/Bittner/Kolbe (2019) BGB § 259, Rn. 29). Entsprechend der ratio muss es dem Mieter wie ausgeführt aufgrund des Umfangs der Einsicht möglich sein, die Abrechnung einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und anhand dieser eventuelle Einwendungen gegen die Abrechnung geltend zu machen. Dem wird durch Vorlage der Unterlagen des Vermieters auch im vorliegenden Fall aus oben genannten Gründen hinreichend Rechnung getragen.

III.

Eine Kostenentscheidung konnte vorliegend wegen des Grundsatzes der Kosteneinheit nicht ergehen. Diese kann er im Rahmen des Schlussurteils erfolgen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 1, 2 ZPO.

Die Berufung war auf Antrag der Kläger nach § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Dei Berufung wäre aufgrund des Wertes der Beschwer nicht statthaft. Die Frage, ob bei wirtschaftlicher Verwobenheit ein weitergehendes Recht auf Einsichtnahme in Abrechnungsunterlagen beauftragter Unternehmen mit deren Vertragspartnern sowie entsprechende Gewinnabführungs- Gewinnverteilungsverträge besteht, ist – soweit erkennbar – bisher nicht ober- oder höchstgerichtlich entschieden. Sie ist umstritten und damit klärungsbedürftig, klärungsfähig und vorliegend auch entscheidungserheblich.

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