Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Kündigung des Gewerberaummietvertrags: Rechte bei Störungen durch Patienten
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Pflichten hat ein Gewerbemieter zur Verhinderung von Störungen durch seine Kunden?
- Ab wann rechtfertigen Störungen durch Dritte eine fristlose Kündigung des Gewerbemietvertrags?
- Welche Kontrollmaßnahmen muss ein Gewerbemieter nachweislich durchführen?
- Wie kann sich ein Gewerbemieter gegen eine fristlose Kündigung wegen Störungen durch Dritte rechtlich wehren?
- Welche vorbeugenden Vereinbarungen sollten im Gewerbemietvertrag zur Störungsprävention getroffen werden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Köln
- Datum: 01.03.2024
- Aktenzeichen: 1 U 10/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren im Rahmen einer Räumungsklage
- Rechtsbereiche: Mietrecht, Vertragsrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Betreiberin einer Seniorenresidenz und Vermieterin von Praxisräumen. Sie argumentiert, dass der Beklagte durch seine Patienten die Hausordnung verletze und somit eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sei. Die Klägerin thematisiert zahlreiche Verstöße gegen die Corona-Regeln und Störungen im Mietobjekt durch Patienten des Beklagten.
- Beklagter: Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Mieter der Praxisräume. Er argumentiert, dass er Maßnahmen ergriffen habe, um die Corona-Regeln einzuhalten und dass keine ausreichenden Gründe für eine fristlose Kündigung vorliegen. Er bestreitet die Vorwürfe der Klägerin und verweist auf getroffene Vorkehrungen und Abmahnungen gegenüber Patienten.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin betreibt eine Seniorenresidenz und vermietet Praxisräume an den Beklagten. Konflikte ergaben sich aufgrund angeblicher Verstöße von Patienten des Beklagten gegen Hygieneregeln und verursachten Störungen im Gebäude. Trotz wiederholter Abmahnungen schritt die Klägerin zu einer fristlosen Kündigung des Mietvertrags.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage ist, ob die durch die Patienten des Beklagten verursachten Störungen und Verstöße eine fristlose Kündigung des Mietvertrags rechtfertigen und ob die vom Beklagten getroffenen Maßnahmen zur Einhaltung der Regeln ausreichend waren.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht Köln entschied zugunsten der Klägerin und gab der Räumungsklage statt. Es erkannte die fristlose Kündigung des Mietvertrags als gerechtfertigt an.
- Begründung: Die Entscheidung basierte darauf, dass die dokumentierten Vorfälle im Anwesen schwerwiegende Störungen des Hausfriedens darstellten, die fortlaufend und in erheblicher Weise stattfanden. Die getroffenen Maßnahmen des Beklagten waren unzureichend, um vergleichbare Störungen zukünftig zu verhindern. Auch verstärkten die Umstände, dass der Beklagte trotz vorangegangener Kündigung keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen hatte, die Notwendigkeit der Kündigung.
- Folgen: Der Beklagte muss die Praxisräume räumen und der Klägerin zurückgeben. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits nicht. Revision wurde nicht zugelassen, was die Entscheidung zu einer endgültigen macht. Die Entscheidung unterstreicht die Pflichten von Mietern bei der Einhaltung der Hausordnung und der Corona-Schutzmaßnahmen.
Kündigung des Gewerberaummietvertrags: Rechte bei Störungen durch Patienten
Ein Gewerberaummietvertrag regelt das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter im geschäftlichen Bereich. Hierbei spielen sowohl Mieterrechte als auch Mieterpflichten eine zentrale Rolle. Störungen des Hausfriedens, wie etwa durch Lärmbelästigung oder unzumutbare Belästigungen, können erhebliche Auswirkungen auf das Mietverhältnis haben. Das Mietrecht Gewerbe sieht in solchen Fällen spezielle Regelungen vor, die sowohl die Kündigung des Mietvertrags als auch mögliche Mietminderungen betreffen.
Im Kontext von Patienten und deren Einfluss auf den Frieden des Hauses wird es besonders komplex. Die Interessen von gewerblichen Mietern, wie zum Beispiel von Ärzten oder Therapeuten, müssen in Einklang mit den Rechten der Nachbarn gebracht werden. Ein kürzlich ergangenes Gerichtsurteil beleuchtet diese Thematik und bietet wichtige Einblicke in die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Kündigung des Gewerberaummietvertrags, wenn Patienten den Hausfrieden stören.
Der Fall vor Gericht
Hartnäckige Störung des Hausfriedens durch Praxispatienten führt zur Kündigung
Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietvertrags für Praxisräume in einem Ärztehaus in I. aufgrund schwerwiegender und anhaltender Störungen des Hausfriedens durch Patienten eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie.
Langjähriges Mietverhältnis mit zunehmenden Problemen
Der beklagte Arzt hatte die 153 Quadratmeter großen Praxisräume im ersten Obergeschoss seit Juni 2014 angemietet, um dort insbesondere suchtkranke Patienten im Rahmen von Substitutions- und Methadonbehandlungen zu betreuen. Nach mehreren gescheiterten Kündigungsversuchen in der Vergangenheit spitzte sich die Situation während der Corona-Pandemie deutlich zu. Die Vermieterin dokumentierte zahlreiche Verstöße gegen Hygiene- und Verhaltensregeln durch die Patienten.
Gravierende Vorfälle im Gebäude
Besonders im Zeitraum zwischen November und Dezember 2021 häuften sich die Zwischenfälle: Ein Patient urinierte innerhalb von zwei Wochen sieben Mal im Kellergeschoss. Weitere Patienten verursachten Verunreinigungen durch fallengelassene Bierflaschen, entwendeten Fußmatten und konsumierten Drogen im Treppenhaus. Mehrere Zeugen berichteten von regelmäßigen Belästigungen durch mitgebrachte Hunde und Fahrräder sowie von Verschmutzungen durch Fäkalien, Urin und Erbrochenes. Die Hausdame musste den betroffenen Gebäudetrakt täglich mehrfach reinigen lassen.
Unzureichende Kontrollen durch den Arzt
Das Gericht bewertete die vom Beklagten ergriffenen Maßnahmen als nicht ausreichend. Die durchgeführten Kontrollen seien hauptsächlich auf die Einhaltung der Corona-Regeln ausgerichtet und nicht systematisch organisiert gewesen. Der Arzt habe lediglich reaktiv auf konkrete Vorfälle reagiert, statt ein dauerhaftes präventives Kontrollsystem zu etablieren. Dass sein Praxisteam die wiederholten Urinvorfälle nicht bemerkt hatte, wertete das Gericht als Beleg für mangelhafte Überwachung.
Rechtmäßigkeit der Kündigung bestätigt
Das OLG Köln hob das erstinstanzliche Urteil auf und bestätigte die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 27. Dezember 2021. Trotz des gesellschaftlichen Interesses an der medizinischen Versorgung suchtkranker Menschen sei der Vermieterin die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zuzumuten gewesen. Der Beklagte habe durch sein rein reaktives Verhalten gezeigt, dass ihm die Belange der anderen Hausnutzer gleichgültig seien. Die prognostische Einschätzung weiterer schwerwiegender Störungen rechtfertige die fristlose Beendigung des Mietverhältnisses.
Die Schlüsselerkenntnisse
„Das Urteil verdeutlicht, dass auch bei berechtigten Beschwerden über Störungen durch Patienten einer Arztpraxis eine Kündigung des Mietverhältnisses sehr hohe Hürden hat. Besonders während der Corona-Pandemie mussten Vermieter nachweisen, dass der Mieter trotz konkreter Aufforderungen keine ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln getroffen hat. Die bloße Beschwerde über Patientenansammlungen reicht für eine Kündigung nicht aus, wenn der Mieter grundsätzlich bemüht ist, Störungen zu minimieren.“
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Mieter einer Gewerbeimmobilie, insbesondere einer Arztpraxis, können Sie nicht allein aufgrund von Beschwerden über Ihre Patienten gekündigt werden. Sie müssen jedoch auf Beschwerden reagieren und angemessene Maßnahmen ergreifen, um Störungen zu minimieren. Dokumentieren Sie alle getroffenen Vorkehrungen zur Einhaltung von Vorschriften und zum Schutz anderer Hausbewohner. Als Vermieter müssen Sie konkrete Verstöße nachweisen und dem Mieter die Chance zur Abhilfe geben, bevor Sie kündigungsrelevante Schritte einleiten können.
Rechtssicher handeln bei Patientenbeschwerden
Das Urteil zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Dokumentation und ein proaktives Vorgehen bei Beschwerden über Patienten sind – sowohl für Mieter als auch für Vermieter. Gerade im sensiblen Bereich des Mietrechts, wo es um Ihre Praxisräume oder Ihre Wohnqualität geht, sollten Sie Ihre Rechte und Pflichten genau kennen. Wir unterstützen Sie dabei, rechtliche Fallstricke zu vermeiden und Ihre Interessen optimal zu vertreten, damit Sie sich auf Ihre Patienten oder Ihr Eigentum konzentrieren können. Sprechen Sie uns an, um Ihre individuelle Situation zu besprechen und die bestmögliche Strategie zu entwickeln.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Pflichten hat ein Gewerbemieter zur Verhinderung von Störungen durch seine Kunden?
Als Gewerbemieter haben Sie eine Sorgfaltspflicht, Störungen durch Ihre Kunden zu verhindern und den Hausfrieden zu wahren. Diese Pflicht ergibt sich aus dem vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache und der Rücksichtnahme auf andere Mieter und Anwohner.
Konkrete Präventionsmaßnahmen
Um Ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen, sollten Sie folgende Maßnahmen ergreifen:
- Hausordnung kommunizieren: Informieren Sie Ihre Kunden über geltende Regeln, z.B. durch Aushänge oder persönliche Ansprache.
- Lärmschutz: Treffen Sie Vorkehrungen zur Lärmreduzierung, besonders in den Ruhezeiten.
- Zugangskontrolle: Überwachen Sie den Eingangsbereich, um unerwünschte Personen fernzuhalten.
- Schnelle Reaktion: Reagieren Sie umgehend auf Beschwerden und sprechen Sie Störer direkt an.
Grenzen der Verantwortlichkeit
Ihre Verantwortung als Gewerbemieter erstreckt sich primär auf den unmittelbaren Einflussbereich Ihres Geschäfts. Für das Verhalten Ihrer Kunden außerhalb Ihrer Räumlichkeiten sind Sie in der Regel nicht haftbar zu machen. Allerdings müssen Sie angemessene Schritte unternehmen, um vorhersehbare Störungen zu verhindern.
Rechtliche Konsequenzen bei Pflichtverletzung
Wenn Sie Ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen, kann dies schwerwiegende Folgen haben:
- Der Vermieter kann Sie abmahnen und bei wiederholten Verstößen sogar fristlos kündigen.
- Sie können schadenersatzpflichtig werden, wenn durch die Störungen Schäden entstehen.
- In extremen Fällen droht der Verlust Ihres Gewerberaums.
Stellen Sie sich vor, Sie betreiben eine Arztpraxis und Ihre Patienten verursachen regelmäßig Lärm im Treppenhaus. In diesem Fall müssen Sie aktiv werden, indem Sie beispielsweise Hinweisschilder anbringen oder Ihre Patienten persönlich auf die Einhaltung der Ruhe hinweisen.
Vorbeugende Maßnahmen
Um Konflikte zu vermeiden, empfiehlt es sich, proaktiv vorzugehen:
- Sprechen Sie regelmäßig mit Ihrem Vermieter und anderen Mietern, um potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen.
- Dokumentieren Sie alle Vorfälle und Ihre Bemühungen zur Problemlösung.
- Passen Sie Ihre Geschäftsprozesse an, um Störungen zu minimieren, z.B. durch angepasste Öffnungszeiten oder verbesserte Kundenführung.
Indem Sie diese Pflichten ernst nehmen und umsetzen, schützen Sie nicht nur Ihr Mietverhältnis, sondern tragen auch zu einem harmonischen Miteinander im Gebäude bei.
Ab wann rechtfertigen Störungen durch Dritte eine fristlose Kündigung des Gewerbemietvertrags?
Eine fristlose Kündigung des Gewerbemietvertrags wegen Störungen durch Dritte ist möglich, wenn eine nachhaltige Störung des Hausfriedens vorliegt, die dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar macht.
Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung
Der Vermieter muss nachweisen können, dass eine erhebliche und andauernde Beeinträchtigung des Hausfriedens vorliegt. Eine einmalige oder kurze Störung reicht nicht aus – es muss eine Wiederholungs- oder Fortsetzungsgefahr bestehen.
Für Störungen durch Dritte, wie etwa Patienten, muss der gewerbliche Mieter grundsätzlich einstehen, wenn diese in seinem Verantwortungsbereich liegen. Dies gilt für Familienangehörige, Erfüllungsgehilfen oder in die Räumlichkeiten aufgenommene Dritte.
Erforderliche Schritte vor der Kündigung
Vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung muss der Vermieter in der Regel:
- Eine Abmahnung aussprechen
- Dem Mieter die Möglichkeit geben, die Störungen abzustellen
- Die Störungen nachweisbar dokumentieren
Beispiele für kündigungsrelevante Störungen
Als erhebliche Störungen gelten etwa:
- Wiederholte schwerwiegende Lärmbelästigungen
- Aggressives Verhalten gegenüber anderen Hausbewohnern
- Hochgradige Beleidigungen oder Sachbeschädigungen
- Handgreiflichkeiten oder Bedrohungen
Die Störungen müssen dabei so gravierend sein, dass sie über das übliche Maß dessen hinausgehen, was bei einer gewerblichen Nutzung zu erwarten ist. Wenn Sie als Vermieter eine fristlose Kündigung aussprechen, müssen Sie den wichtigen Grund nachvollziehbar darlegen können.
Welche Kontrollmaßnahmen muss ein Gewerbemieter nachweislich durchführen?
Als Gewerbemieter tragen Sie die Verantwortung für die ordnungsgemäße Nutzung der Mieträume und müssen aktiv zur Wahrung des Hausfriedens beitragen.
Grundlegende Kontrollpflichten
Sie müssen als Mieter regelmäßig überprüfen, ob die Nutzung der Räumlichkeiten dem vertraglich vereinbarten Zweck entspricht. Wenn Sie beispielsweise eine Arztpraxis betreiben, bedeutet dies konkret die Überwachung des Patientenverkehrs und die Sicherstellung eines geordneten Praxisablaufs.
Dokumentationspflichten
Zur Absicherung sollten Sie ein systematisches Kontrollsystem einführen:
- Dokumentation von Störungen und Vorfällen mit Datum, Uhrzeit und beteiligten Personen
- Protokollierung der ergriffenen Maßnahmen zur Störungsbeseitigung
- Aufzeichnung von Beschwerden anderer Mieter oder Anwohner
Präventive Maßnahmen
Als Gewerbemieter müssen Sie aktiv Störungen vorbeugen. Dazu gehört die Aufstellung und Durchsetzung einer Hausordnung für Ihre Kunden oder Patienten. Bei wiederholten Störungen sind Sie verpflichtet, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wie etwa:
- Anpassung der Öffnungszeiten
- Einführung eines Terminvergabesystems
- Installation von Hinweisschildern zur Rücksichtnahme
- Organisation eines Sicherheitsdienstes bei wiederkehrenden Problemen
Wenn trotz dieser Maßnahmen weiterhin erhebliche Störungen auftreten, riskieren Sie eine außerordentliche Kündigung durch den Vermieter. Die sorgfältige Dokumentation Ihrer Kontrollmaßnahmen kann in diesem Fall als Nachweis Ihrer Bemühungen dienen.
Wie kann sich ein Gewerbemieter gegen eine fristlose Kündigung wegen Störungen durch Dritte rechtlich wehren?
Ein Gewerbemieter haftet grundsätzlich für Störungen durch seine Patienten, Kunden oder andere Dritte, die sich in seinen Geschäftsräumen aufhalten. Dennoch bestehen mehrere Verteidigungsmöglichkeiten gegen eine fristlose Kündigung.
Prüfung der formalen Voraussetzungen
Die fristlose Kündigung muss schriftlich erfolgen und die konkreten Kündigungsgründe nennen. Bei Störungen des Hausfriedens müssen Angaben zur Dauer und Häufigkeit der Störungen gemacht werden.
Abmahnerfordernis beachten
Eine fristlose Kündigung ist in der Regel erst nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig. Der Mieter kann sich darauf berufen, wenn keine vorherige Abmahnung erfolgt ist. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht.
Verhältnismäßigkeit prüfen
Die Störungen müssen so schwerwiegend sein, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Der Mieter kann argumentieren, dass:
- die Störungen nur vereinzelt auftraten
- bereits Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Störungen ergriffen wurden
- die Störungen nicht seiner Einflusssphäre zuzurechnen sind
Dokumentation und Beweisführung
Der Vermieter trägt die Beweislast für die Störungen. Der Mieter sollte:
- eigene Aufzeichnungen über den tatsächlichen Ablauf der Vorfälle führen
- Zeugenaussagen von Mitarbeitern oder anderen Mietern sammeln
- Gegenbeweise zu den behaupteten Störungen vorlegen
Sofortmaßnahmen ergreifen
Nach Erhalt der Kündigung sollten unverzüglich Schutzmaßnahmen ergriffen werden, wie:
- Einführung von Verhaltensregeln für Patienten
- verstärkte Aufsicht in problematischen Bereichen
- bauliche oder organisatorische Änderungen zur Vermeidung von Störungen
Welche vorbeugenden Vereinbarungen sollten im Gewerbemietvertrag zur Störungsprävention getroffen werden?
Präventive Vertragsklauseln
Ein sorgfältig formulierter Gewerbemietvertrag sollte klare Regelungen zur Vermeidung von Hausfriedensstörungen enthalten. Die Vertragsparteien können dabei festlegen, dass der gewerbliche Mieter für das Verhalten seiner Kunden, Patienten oder Besucher verantwortlich ist.
Konkrete Verhaltensregelungen
Der Vertrag sollte spezifische Verhaltensvorschriften für die Nutzung der Gewerbefläche beinhalten. Wenn Sie beispielsweise eine Arztpraxis betreiben, können folgende Punkte vertraglich geregelt werden:
- Festlegung von Öffnungs- und Sprechzeiten
- Regelungen zum Wartezimmerbereich und Patientenaufkommen
- Vorgaben zur Lärmentwicklung und Nutzung gemeinschaftlicher Flächen
Kündigungsklauseln
Im Vertrag sollte eine eindeutige Regelung zur außerordentlichen Kündigung bei nachhaltiger Störung des Hausfriedens aufgenommen werden. Diese muss die Voraussetzungen für eine Kündigung klar definieren und einen Abmahnungsvorbehalt enthalten.
Optionsrechte und Verlängerungsklauseln
Zur Absicherung des Mieters können Optionsrechte vereinbart werden, die eine Verlängerung des Mietvertrags ermöglichen. Diese sollten präzise formuliert werden und folgende Aspekte regeln:
- Zeitpunkt und Form der Optionsausübung
- Dauer der Verlängerung
- Bedingungen für die Ausübung des Optionsrechts
Dokumentationspflichten
Der Vertrag sollte klare Regelungen zur Dokumentation von Störungen enthalten. Dabei ist festzulegen, wie Vorfälle zu protokollieren sind und welche Maßnahmen der Mieter bei Beschwerden ergreifen muss.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Außerordentliche fristlose Kündigung
Eine sofortige Beendigung des Mietverhältnisses aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Sie ist gemäß § 543 BGB möglich, wenn dem Kündigenden die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung muss kein Kündigungstermin eingehalten werden. Beispielsweise bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen wie anhaltenden Mietrückständen oder massiven Störungen des Hausfriedens. Die Kündigung muss unverzüglich nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes erfolgen.
Hausfrieden
Der Zustand des störungsfreien Zusammenlebens aller Bewohner und Nutzer eines Hauses, geschützt durch § 862 BGB und § 1004 BGB. Er umfasst das Recht auf ungestörte Nutzung der Mieträume und Gemeinschaftsflächen ohne erhebliche Belästigungen. Störungen können etwa durch Lärm, Verschmutzungen oder bedrohliches Verhalten erfolgen. Der Vermieter muss den Hausfrieden aktiv schützen und kann bei anhaltenden Störungen rechtliche Schritte einleiten.
Gewerberaummietvertrag
Ein Mietvertrag über Räume, die zu geschäftlichen, gewerblichen oder beruflichen Zwecken genutzt werden, geregelt in §§ 578 ff. BGB. Im Unterschied zur Wohnraummiete gelten hier weniger Schutzvorschriften für den Mieter. Typische Beispiele sind Ladenlokale, Büros oder Praxisräume. Die Vertragsparteien können viele Regelungen frei vereinbaren, etwa bezüglich Kündigungsfristen oder Betriebspflichten.
Substitutionsbehandlung
Eine ärztlich überwachte Therapieform für Opioidabhängige, bei der das Suchtmittel durch ein Ersatzmedikament (meist Methadon) ersetzt wird, geregelt in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). Ziel ist die gesundheitliche und soziale Stabilisierung der Patienten. Die Behandlung erfordert strenge Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen, da die Patienten täglich zur Medikamenteneinnahme erscheinen müssen.
Zumutbarkeit
Ein Rechtsbegriff, der die Grenze dessen beschreibt, was einer Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände noch zugemutet werden kann. Im Mietrecht spielt dies besonders bei der Frage eine Rolle, ob eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist (§ 543 BGB). Die Bewertung erfolgt durch Abwägung der Interessen aller Beteiligten unter Berücksichtigung von Intensität, Dauer und Häufigkeit der Störungen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 543 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB (außerordentliche fristlose Kündigung):
Diese Vorschrift regelt die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung eines Mietverhältnisses aus wichtigem Grund. Ein solcher Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung beider Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Insbesondere werden schwerwiegende Vertragsverletzungen wie nachhaltige Störungen des Hausfriedens erfasst.
Im Fall hat die Klägerin mehrfach auf unhaltbare Zustände im Zusammenhang mit den Patienten des Beklagten hingewiesen, die zu erheblichen Störungen und Gesundheitsrisiken für die Bewohner und Nutzer des Gebäudes führten. Dies wurde als wichtiger Grund für die fristlose Kündigung geltend gemacht. - § 578 Abs. 2 BGB (Anwendung der Mietrechtsvorschriften bei gewerblichen Mietverhältnissen):
Nach dieser Vorschrift gelten für Mietverhältnisse über Räume, die gewerblichen Zwecken dienen, die allgemeinen Vorschriften des Mietrechts entsprechend. Das schließt auch die Regelungen zur außerordentlichen Kündigung ein, soweit keine spezifischen Regelungen abweichend vereinbart wurden.
Das Mietverhältnis des Beklagten betrifft gewerbliche Praxisräume, weshalb die Regelungen des allgemeinen Mietrechts, insbesondere zur Kündigung bei Störungen, auf diesen Fall Anwendung finden. - § 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung):
Diese Vorschrift begründet einen Schadensersatzanspruch, wenn eine Vertragspartei ihre vertraglichen Pflichten verletzt und hierdurch ein Schaden entsteht. Dazu gehört auch die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen anderer Vertragsparteien.
Der Beklagte wurde von der Klägerin mehrfach darauf hingewiesen, dass die Patienten der Praxis gegen Hygiene- und Sicherheitsvorschriften verstießen und andere Nutzer des Gebäudes gefährdeten. Die mangelnde Abhilfe könnte als Pflichtverletzung betrachtet werden, die Schadensersatzansprüche begründet. - § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB (Pflichten des Mieters):
Nach dieser Vorschrift ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache pfleglich zu behandeln und Störungen oder Schäden zu vermeiden, die andere beeinträchtigen könnten. Dazu gehört auch die Pflicht, das Hausrecht so auszuüben, dass andere Mieter oder Eigentümer nicht beeinträchtigt werden.
Der Beklagte hätte durch organisatorische Maßnahmen und Kontrolle seiner Patienten sicherstellen müssen, dass keine Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen der Bewohner entstehen, was ihm vorgeworfen wird. - Corona-Schutzverordnung NRW (insbesondere § 5 der Verordnung vom 16. Dezember 2020):
Diese Regelung verpflichtete alle Einrichtungen im Gesundheitswesen, strenge Hygienevorschriften und Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie einzuhalten. Dazu zählten Abstandsgebote, Maskenpflicht und die Verhinderung von Menschenansammlungen.
Die Klägerin stützte ihre Abmahnungen und Kündigung darauf, dass der Beklagte diese Vorschriften nicht konsequent umgesetzt habe, was zu erheblichen Verstößen führte und die Bewohner des Gebäudes gefährdete. Die wiederholten Verstöße wurden als Grundlage für die Unzumutbarkeit der Fortführung des Mietverhältnisses herangezogen.
Das vorliegende Urteil
OLG Köln – Az.: 1 U 10/23 – Urteil vom 01.03.2024
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