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Übernahme von anfänglichen Dekorationsarbeiten wirksam?

LG Berlin, Az.: 63 S 69/17, Urteil vom 17.11.2017

In dem Rechtsstreit hat die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin in Berlin – Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 20.10.2017 f ü r R e c h t e r k a n n t :

Die Berufung der Klägerin gegen das am 01.02.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 7 C 95/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt als Erbin ihres Vaters …. die beklagte Vermieterin auf Zahlung der Kosten für die Renovierung einer von ihrem Vater mit Mietvertrag vom 5.10.2010 ab dem 1.10.2010 gemieteten Wohnung, die der Preisbindung unterliegt, in Anspruch. Die Wohnung war anfangs – ausweislich des Übergabeprotokolls vom 05.10.2010 und zwischen den Parteien unstreitig – unrenoviert.

Übernahme von anfänglichen Dekorationsarbeiten wirksam?
Symbolfoto: nickp37/Bigstock

Das Mietverhältnis endete durch Kündigung des Vaters vom 26.09.2015 am 31.01.2016. Er verstarb am 09.01.2016.

In einem vom Vater der Klägerin gegengezeichneten Schreiben der …….. GmbH vom 13.9./4.10.2010 heißt es unter anderem: „Sehr geehrter Herr .. , Sie haben sich bereit erklärt, in der oben genannten Wohnung die Schönheitsreparaturen und Säuberungsarbeiten selbst auszuführen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Arbeiten: Streichen der Decken (in) allen Räumen, Streichen der Oberwende in Küche + Bad, tapezieren der Wände in allen Räumen. (Unterschrift Vermieter) … Vom Inhalt des obigen Schreibens haben wir Kenntnis genommen und verpflichten uns hiermit, die Schönheitsreparaturen bis zum regulären Mietzahlungsbeginn durchzuführen. (Unterschrift Mieter)“

Als Ausgleich für die Durchführung der Arbeiten wurde die Gutschrift der Nettokaltmiete für Oktober 2010 in Höhe von 317,46 EUR vorgesehen und gezahlt.

Mit Schreiben vom 10.03.2011 erteilte die …….. GmbH & Co. KG dem Vater der Klägerin eine Schlussrechnung betreffend „Sanierung einer Wohnung, Malerarbeiten und Bodenbelagsarbeiten“ in Höhe von 3.277,15 EUR brutto. Mit Schreiben vom 08.02.2016 forderte die Klägerin die …. GmbH zur Zahlung von Renovierung – bzw. Säuberungsarbeiten in Höhe von 3.063,12 EUR brutto abzüglich der Mieterstattung von 317,46 EUR, d.h. in Höhe von 2.745,66 EUR, bis zum 20.02.2016 auf.

Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, die Wohnung habe bei Übergabe über das Protokoll hinausgehende Schäden aufgewiesen und die Vereinbarung zur Renovierung sei durch Ausnutzung einer Drucksituation erfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, es handele sich um die Erbringung einer unzulässigen Anfangsrenovierung und die Vereinbarung sei gemäß § 9 Abs. 1 WoBindG unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.745,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und die Aktivlegitimation bestritten. Die Initiative zu der Vereinbarung über einzelne Renovierungsarbeiten sei vom Mieter, vertreten durch die Klägerin, ausgegangen. Die Vereinbarung beziehe sich nur auf Tapezieren und Anstriche an Wänden und Decken. Sie hat die Zahlung der Renovierungskosten und deren Ortsüblichkeit bestritten.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt: Die Klägerin habe bereits ihre Aktivlegitimation nicht nachgewiesen. Ein Anspruch auf Rückzahlung der Renovierungskosten bestehe nicht, da die Übernahme der Anfangsrenovierung keine einmalige Leistung im Sinne des § 9 WobindG sei. Die Überwälzung der anfänglichen Schönheitsreparaturen sei nicht in der Kostenmiete enthalten und sie können vom Mieter getragen werden. Unzulässig wäre es hingegen gewesen, wenn neben dem Einzug auch eine Renovierung bei Auszug vereinbart worden wäre.

Gegen das am 03.02.2017 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Klägerin mit einem am 17.02.2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 01.03.2017 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung legt die Klägerin den Erbvertrag und die Sterbeurkunde ihres Vaters vor und vertieft ihren bisherigen Vortrag.

Sie beantragt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Schöneberg vom 1.2.2017 – 7 C 95/16 – die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.745,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.3.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 511ff. ZPO zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin ist – nunmehr unstreitig und durch den notariellen Erbvertrag vom 05.02.1993 belegt – als Erbin nach ihrem Vater aktivlegitimiert.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der aufgewandten Renovierungskosten.

Zwar greift die Einrede der Verjährung gem. §§ 222, 548 Abs. 2 BGB nicht durch, weil die am 17.05.2016 anhängige und am 16.06.2016 auch i.S.v. § 167 ZPO „demnächst“ zugestellte Klage vor dem Ende der Verjährungsfrist – nämlich 6 Monate nach dem Ende des Mietverhältnisses – erhoben worden ist.

Jedoch ergibt sich ein Rückforderungsanspruch dem Grunde nach weder aus § 9 Abs. 1, 7 WoBindG noch aus § 812 Abs. 1 BGB.

Eine Vereinbarung gem. § 9 Abs. 1 WoBindG, nach der der Mieter oder für ihn ein Dritter mit Rücksicht auf die Überlassung der Wohnung eine einmalige Leistung zu erbringen hat, ist hier nicht getroffen worden.

Eine einmalige Leistung im Sinne des § 9 Abs. 1 WobindG lag angesichts der Vereinbarung im Mietvertrag in Verbindung mit dem Übergabeprotokoll vom 05.10.2010 über den Ausgangszustand der Wohnung und der Zusatzabrede vom 13.09./04.10.2010 nicht vor. Es kommt entgegen der Auffassungen der Parteien nicht darauf an, wer sich an wen mit dem Vorschlag zu dieser Vereinbarung gewandt hat.

Die Vereinbarung vom 13.9./4.10.2010 selbst stellt keine verpflichtende Abwälzung der Anfangsrenovierung auf den Mieter dar. Es handelt sich vielmehr nach dem Wortlaut um eine Individualvereinbarung (Mieter „… erklärt sich bereit …“), während mit dem Mietvertrag vom 05.10.2010 die Parteien die Beschaffenheit der Mietsache und den geschuldeten mietvertraglichen Zustand näher bestimmt haben. In der Sache akzeptiert der Mieter danach die Wohnung in einem gespachtelten Zustand ohne Tapete und ohne Anstrich als vertragsgemäß.

Mit dem vom Mieter unterzeichneten Zusatz „Vom Inhalt des obigen Schreibens haben wir Kenntnis genommen und verpflichten uns hiermit, die Schönheitsreparaturen bis zum regulären Mietzahlungsbeginn durchzuführen.“ ist keine Überwälzung von laufenden Schönheitsreparaturen verbunden. Er bestätigt lediglich die getroffene Individualvereinbarung über eine einmalige Durchführung von Dekorationsarbeiten.

Die im Mietvertrag getroffene Abrede zum Ausgangszustand der Wohnung verstößt auch nicht gegen § 536 Abs. 4 BGB, da lediglich der anfängliche Zustand als vertragsgemäß vereinbart wurde und die Beklagte hier gem. § 535 Abs. 1 BGB im Rahmen ihrer Erhaltungspflicht die im laufenden Mietverhältnis erforderlichen Dekorationsarbeiten schuldete.

Eine andere Beurteilung würde sich u.U. in einem anderen – hier nicht gegebenen – Sachverhalt ergeben. Sofern nämlich eine Überbürdung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter vereinbart worden wäre, käme eine Unwirksamkeit der Einmalleistung in Betracht, weil der Vermieter dann mehr erhalten würde, als das, worauf er nach der Kostenmiete Anspruch hat (vgl. für den Fall des Zuschlags nach § 28 Abs. 4 der II. BerechnungsVO bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel: BGH, Urteil vom 12.12.2012 – VIII ZR 181/12 -, NJW-RR 2013, 585). Im vorliegenden Fall ist aber zu Lasten des Vaters der Klägerin weder eine laufende Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen noch eine Endrenovierung vereinbart worden.

Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung betrifft daher abweichende Sachverhalte. Nach der Entscheidung des Amtsgerichts Rheine (Urteil vom 25. August 1981 – 4 C 101/81 E -, WuM 1981, 278) ist die Kostenübernahmeerklärung des Mieters für den Erstanstrich gemäß § 9 Abs. 7 WobindG unwirksam, weil der Vermieter eine zum Wohnen geeignete Wohnung schulde, um die Kostenmiete verlangen zu können und dies einen Innenanstrich voraussetze. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung kann offenbleiben, da vorliegend keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass es sich bei den von Mieter übernommenen Arbeiten um eine Erstausstattung nach erstmaliger Bezugsfertigkeit gehandelt hat. Vielmehr ergibt sich aus der Mängelbeschreibung des Übergabeprotokolls, dass es sich nicht um einen Erstbezug gehandelt hat. Der Entscheidung des Amtsgerichts Velbert (Urteil vom 15.9.1975 – 2 C 84/75) lag nicht nur die Vereinbarung einer Anfangsrenovierung neben der Überbürdung laufender Schönheitsreparaturen zugrunde, was nach damaliger – inzwischen überholter – Rechtsprechung wirksam gewesen sei, jedoch nicht im preisgebundenen Wohnraum. Der vorliegende Sachverhalt ist nicht vergleichbar, weil eine Kumulationswirkung fehlt, wenn zu Lasten des Mieters keine laufenden Schönheitsreparaturen vereinbart waren.

Soweit sich die Klägerin zutreffend darauf beruft, dass nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 18.03.2015 – VIII ZR 185/14, NJW 2915, 1594; BGH v. 18.03.2015 – VIII ZR 242/13, NJW 2015, 1871) der Vermieter selbst im preisfreien Wohnraum keinen Anspruch auf Überwälzung der Anfangsrenovierung auf den Mieter habe, geht es vorliegend gerade nicht um die in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Überbürdung der Verpflichtung des Mieters zur Durchführung von Schönheitsreparaturen im laufenden Mietverhältnis , weil eine derartige Pflicht zu Lasten des Mieters nicht vereinbart ist und die mit einer Ausgleichszahlung verbundene einmalige Übernahme bestimmter Renovierungsarbeiten vom 13.09./04.10.2010 als Individualvereinbarung nicht dem Maßstab der §§ 307, 309 BGB unterfällt.

Auch aus § 812 BGB ergibt sich hier ein solcher Anspruch nicht, der zwar dann bestehen kann, wenn ein Mieter, der auf Grund einer unerkannt unwirksamen Endrenovierungsklausel Schönheitsreparaturen in der Mietwohnung vornimmt; denn er führt damit zwar kein Geschäft des Vermieters, sondern wird nur im eigenen Rechts- und Interessenkreis tätig, weil er eine Leistung erbringen will, die rechtlich und wirtschaftlich Teil des von ihm für die Gebrauchsüberlassung an der Wohnung geschuldeten Entgelts ist . Die Leistung ist in diesem Fall jedoch deshalb rechtsgrundlos erbracht, weil der vom Mieter herbeigeführte Dekorationserfolg dem entspricht, was der Vermieter in der von ihm gestellten Endrenovierungsklausel verlangt hatte und was er im Zuge der Weitervermietung nutzen konnte, ohne dass es dafür entscheidend darauf ankommt, ob und in welcher Höhe dies zu einer Wertsteigerung der Mietwohnung geführt hat (BGH v. 27.05.2009 – VIII ZR 302/07, GE 2009, 901).

An diesen Voraussetzungen fehlt es hier, weil sich der Vater der Klägerin lediglich einmalig zur Übernahme von Arbeiten bei Beginn des Mietverhältnisses verpflichtet hat und wegen des Fehlens irgendeiner hierzu getroffenen Vereinbarung – wie bereits ausgeführt – im laufenden Mietverhältnis ohnehin keine Schönheitsreparaturen schuldete.

Eine Frist zur Stellungnahme gem. §§ 139, 282 ZPO auf die Erörterungen im Termin am 20.10.2017 war nicht zu bewilligen, da bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage keine neuen Gesichtspunkte angesprochen worden sind, die nicht bereits Gegenstand der schriftsätzlichen Auseinandersetzung waren, weil die angefochtene Entscheidung bereits auf das Fehlen einer mietvertraglichen Verpflichtung des Mieters zur Durchführung der Schönheitsreparaturen Bezug nimmt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob auch ohne klauselmäßige Überbürdung der für die Dauer des Mietverhältnisses fällig werdenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter – also bei fortwirkender gesetzlicher Verpflichtung des Vermieters zur Instandhaltung einschließlich der Dekorationsarbeiten – bei preisgebundenem Wohnraum eine entgeltliche Vereinbarung über die Übernahme anfänglicher Dekorationsarbeiten durch den Mieter wirksam ist, ist bislang – soweit ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich entschieden und andererseits wegen der Vertragsgestaltung nicht nur im preisgebundenen Wohnraum als Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung ist, aber eine solche Entscheidung letztlich auch der Fortbildung des Rechts dient (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

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