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Eigenbedarf – Kündigungsausschluss durch Vereinbarung im Kaufvertrag

Kündigung aus Eigenbedarf und die Einbindung des Kaufvertrags

Es gibt viele Aspekte, die das Mietrecht prägen, aber die Frage, wie Kaufverträge die Möglichkeit einer Kündigung aus Eigenbedarf beeinflussen können, ist ein Thema, das immer wieder zu Diskussionen führt. Der aktuelle Fall wirft genau diese Frage auf und hat eine klare Antwort gefunden, die in einem jüngsten Fall vom AG Stuttgart-Bad Cannstatt beantwortet wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 C 1523/20 >>>

Es geht um einen Fall, bei dem eine Vermieterin eine Einzimmerwohnung von ihrem Mieter zurückforderte, da sie diese für sich beanspruchen wollte. Sie argumentierte, dass die Kosten für ihre aktuelle Wohnung zu hoch seien und sie aus diesem Grund Eigenbedarf an der kleineren Wohnung des Beklagten anmelden würde. Sie fügte hinzu, dass die Verpflichtungen, die aus dem Kaufvertrag resultierten, nur die Verkäuferin betreffen und nicht sie als Klägerin.

Die Kündigungsausschlussklausel im Kaufvertrag

Allerdings gab es eine Vereinbarung im Kaufvertrag, die besagte, dass der Verkäufer sich verpflichtet, auf alle ihm zustehenden Kündigungsmöglichkeiten zur Beendigung des Mietverhältnisses zu verzichten. Diese Verpflichtung wurde auch in Form eines Nachtrags zum Mietvertrag dem Mieter gegenüber festgehalten. Damit sollte dem Mieter eine gesicherte Rechtsposition auch gegenüber einem Käufer eingeräumt werden, um seinen bisherigen Wohnraum nicht zu verlieren.

Gilt das Verbot auch für den Käufer?

Ein weiterer Punkt im Kaufvertrag besagt, dass der Käufer in das Mietverhältnis mit allen sich hieraus ergebenden Rechten und Pflichten eintritt. Die Klägerin, also die Käuferin, sollte also ebenfalls die Verpflichtungen, die der Verkäufer mit dem Mieter eingegangen ist, übernehmen. Insbesondere wurde auf die Verpflichtung zur Kündigungsverzicht hingewiesen.

Rechtliche Konsequenzen und die Entscheidung des Gerichts

Infolgedessen ist davon auszugehen, dass die Vereinbarungen so auszulegen sind, dass eine Beendigung des Mietverhältnisses gegenüber dem Beklagten ausgeschlossen sein sollte, es sei denn, dieser hat selbst einen Grund zur Beendigung des Mietverhältnisses gegeben. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher ausgeschlossen, unabhängig davon, ob der Klägerin ein Eigenbedarfsgrund zustand.

Das Gericht wies daher die Klage der Vermieterin ab. Es kam zu dem Schluss, dass die Klägerin, als Käuferin der Immobilie, die Vereinbarungen aus dem Kaufvertrag mit dem Verkäufer, einschließlich des Verzichts auf die Kündigung wegen Eigenbedarfs, übernehmen muss.

Das Gericht hat entschieden: Die Vereinbarungen im Kaufvertrag haben Vorrang und schützen den Mieter vor einer Kündigung aus Eigenbedarf. Dieser Fall verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig es ist, die genauen Vereinbarungen in Kaufverträgen zu prüfen und zu verstehen, bevor eine Immobilie erworben wird.


Das vorliegende Urteil

AG Stuttgart-Bad Cannstatt – Az.: 12 C 1523/20 – Urteil vom 13.11.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 4056,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Räumungsanspruch wegen Eigenbedarfs geltend.

Der Beklagte hat eine Einzimmerwohnung in der … in … S. im Jahr 1999 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin angemietet.

Mit notariellem. Kaufvertrag vom 11.1.2012 wurde die Wohnung von der … an die Klägerin verkauft.

Im notariellen Kaufvertrag ist in § 3 unter Ziffer 3 b auszugsweise Folgendes geregelt:

Gemäß den Regelungen in den Kaufverträgen der … und der … vom 3.7.2002 verpflichtet sich der Veräußerer u.a.

b) dem jeweiligen Mieter einen Nachtrag zum Mietvertrag anzubieten, in dem sich der Veräußerer verpflichtet

– für die Dauer des bestehenden Mietverhältnisses auf alle ihm zustehenden Kündigungsmöglichkeiten zur Beendigung des Mietverhältnisses, insbesondere auf eine Kündigung wegen Eigenbedarf, zu verzichten….

Der Veräußerer bestätigt hiermit, dass der in lit. b) bezeichnete Mietvertragsnachtrag hinsichtlich des Vertragsgegenstandes wirksam zustande gekommen ist… Die Verpflichtungen gem. vorstehend lit a) bis c) werden vom Erwerber übernommen….

Auf den Kaufvertrag Bl. 14 ff wird Bezug genommen.

Mit Schreiben des … vom 10.9.2019 wurde das Mietverhältnis zum 30.6.2020 wegen Eigenbedarfs gekündigt, da die Klägerin selbst in die Wohnung einziehen wolle. Auf Bl. 4 wird Bezug genommen.

Mit Schreiben des … vom 15.4.2020 legte der Beklagte Widerspruch ein. Auf Bl. 6 wird Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, sie wolle in die Wohnung einziehen. Sie sei arbeitslos. Die Kosten für die von ihr bewohnte 2 Zimmerwohnung seien zu hoch.

Die Verpflichtung aus dem Kaufvertrag betreffe die Verkäuferin, nicht die Klägerin.

Die Klägerin beantragt daher, den Beklagten zu verurteilen, die Einzimmerwohnung im … S., bestehend aus einem Zimmer, Küche. Bad, Flur und Kellerraum zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen hilfsweise das Mietverhältnis fortzusetzen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam, da eine Kündigung wegen Eigenbedarfs im notariellen Kaufvertrag vom 11.1.2012 ausgeschlossen sei.

Zudem werde der Eigenbedarf bestritten.

Weiter wird darauf hingewiesen, dass beim Beklagten schwerwiegende Härtegründe vorliegen würden.

Der Beklagte sei zudem aus medizinischen Gründen, die sich aus dem Gutachten von … ergeben würden, Bl. 41 f, umzugsunfähig.

Im Sitzungstermin vom 23.10.2020 machten die Parteien Ausführungen. Auf das Sitzungsprotokoll und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.

Die Kündigung wegen Eigenbedarfs ist gem. § 3 Ziffer 3b 1. Spiegelstrich des notariellen Kaufvertrags vom 11.1.2012 ausgeschlossen.

Demnach verpflichtet sich der Veräußerer dem jeweiligen Mieter einen Nachtrag zum bestehenden Mietvertrag anzubieten, in dem sich der Veräußerer verpflichtet, für die Dauer des bestehenden Mietverhältnisses auf alle ihm zustehenden Kündigungsmöglichkeiten zur Beendigung des Mietverhältnisses, insbesondere auf eine Kündigung wegen Eigenbedarfs zu verzichten.

In § 3 Ziffer 3 c) des Kaufvertrags wird verkäuferseits weiter bestätigt, dass der Mietvertragsnachtrag gem. § 3 Ziffer 3 b) wirksam zustande gekommen ist. Die Verpflichtung aus dem Nachtrag ging demnach gem. § 566 BGB auf die Klägerin als Käuferin über.

Die notarielle Vereinbarung über den Ausschluss einer Eigenbedarfskündigung steht demnach der Kündigung wegen Eigenbedarfs entgegen.

Der Beklagte ist zwar selbst nicht Partei des Kaufvertrages, hat durch den Kaufvertrag jedoch ein eigenes Recht gegenüber der Klägerin i.S.d. § 328 BGB erworben. Der Beklagte sollte hierdurch ein eigenes Recht gegenüber seinem Vermieter erhalten. (BGH NZM 2019,209) Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist demnach ausgeschlossen.

Bereits aus dem Wortlaut der Regelung – dem Ausschluss der Eigenbedarfskündigung ergibt sich, dass den Mietern auf diese Weise eine gesicherte Rechtsposition auch gegenüber der Klägerin als Käuferin eingeräumt werden sollte und die Mieter ihren bisherigen Wohnraum nicht verlieren sollten, sofern sie dies nicht selbst zu vertreten haben. Der Kündigungsausschluss gilt nach der Regelung in § 3 b dann nicht, wenn der Mieter seine Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis schuldhaft verletzt.

Der Beklagte ist als langjähriger Mieter einer städtischen Wohnung schutzbedürftig, auch dem kann entnommen werden, dass der Beklagte unmittelbar ein eigenes Recht gegenüber der Käuferin erwerben sollte. (BGH aaO)

Hinzukommt, dass in § 7 Abs. 3 des Kaufvertrags ausdrücklich und für die Klägerin als Käuferin klar erkennbar geregelt ist, dass der Vertragsgegenstand vermietet ist und der Erwerber in das ihm bekannte Mietverhältnis mit allen sich hieraus ergebenden Rechten und Pflichten eintritt, wobei insbesondere auf die Verpflichtung gem. § 3 b hingewiesen wird.

Demzufolge sind die Regelungen so auszulegen, dass dem Beklagten gegenüber eine Beendigung des Mietverhältnisses ausgeschlossen sein sollte, soweit dieser nicht schuldhaft einen Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses setzt.

Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher bereits ausgeschlossen, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob der Klägerin ein Eigenbedarfsgrund zustand, was insoweit angezweifelt werden darf, als die Klägerin in der Sitzung ausgeführt hat, sie habe beim Beklagten nach einem Besichtigungstermin nachgefragt, da sie potentiellen Käufern die Wohnung zeigen wollte, da ein Verkauf aus finanziellen Gründen eventuell erforderlich werde.

Die Klage war daher nach allem abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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